Um festzustellen, ob für Berlin
ein Bedürfnis vorhanden ist, die Wohnungen,
Geschäftslokale, Fabrikanlagen p. p. solcher Personen,
die sich des Fernsprechers als Verkehrsmittel bedienen
wollen, in entsprechende Verbindung zu bringen, und
jedem Teilnehmer die Möglichkeit zu gewähren, sich zu
jeder Zeit mit jedem anderen Teilnehmer mittels des
Fernsprechers ins Vernehmen zu setzen, werden diejenigen
Personen, die eine Einrichtung der vorstehend erörterten
art wünschen sollten, hierdurch aufgefordert, sich
deshalb schriftlich oder während der Dienststunden von 9
Uhr vormittags bis 3 Uhr nachmittags persönlich an das
Telegraphenbetriebsbureau des Reichs- Postamts,
Französische Straße 33e, Zimmer 149, zu wenden, das die
nähere Auskunft über die Einrichtungen und über die
Bedingungen der Teilnahme erteilen wird.
Der Staatssekretär
des Reichs – Postamts.“
Mit
der technischen Ausführung des Baues betraute das Reichs
– Postamt einen in der Herstellung von
Telegraphenanlagen wohlerfahrenen Reichs – Postbeamten
(Telegraphensekretär Hackethal in Berlin). Die obere
Leitung der Bauarbeiten lag in den Händen des Geheimen
Postrats im Reichs – Postamt Ludewig. Außerhalb der
Verwaltung stehende Personen hatten somit bei diesen
technischen arbeiten nicht mitzureden.
Von
jener Bekanntmachung allein versprach sich nun Stephan,
angesichts der auf diesem Gebiete bisher gesammelten
Erfahrungen, keinen hinreichenden erfolg. Es erschien
ihm notwendig, dass das kaufmännische Berliner Publikum
zur Betätigung eines wirklichen Interesses für die Sache
noch besonders bearbeitet wurde. Das Reichs – Postamt
ersuchte deshalb unterm 1. Juli 1880 die Ältesten der
Kaumannschaft von Berlin um Namhaftmachung einer
Persönlichkeit, die für eine derartige, gegen Entgelt
auszuübend Agententätigkeit geeignet erschien, also auch
unter den Berliner Firmen bescheid wusste. Die Ältesten
schlugen dem Reichs – Postamt unterm 26. Juli 1880 zwei
Berliner Herren hierfür vor. Der eine davon war der
Ingenieur E. Rathenau, Eichhornstraße 5. Das Reichs –
Postamt trat mit beiden durch einen seiner vortragenden
Räte in Verhandlung, die dahin führte, dass Emil
Rathenau die gedachte Tätigkeit auf vorläufig
unbestimmte Zeit übernahm. In mehrfacher Hinsicht
bemerkenswert ist der nachstehend hier erstmalig
veröffentlichte Wortlaut eines Briefes, den Rathenau
damals, während mit ihm noch verhandelt wurde, an jenen
Referenten des Reichs – Postamts richtete.
„Berlin W,
Eichhornstraße 5, den 19. August 1880.
Herrn Geheimen Oberpostrat
Krüger hier.
Bezugnehmend auf die
Unterhaltung, die ich mit Ew. Hochwohlgeboren am
Dienstage zu führen die Ehre gehabt habe, ferner auf das
gefällige Schreiben des Herrn Geheimrat Ludewig vom 5.
a. e., kann ich meinen ergebenen Dank für das mir durch
die bezügliche Offerte erwiesene Vertrauen hierdurch
auszusprechen nicht unterlassen.
Wiewohl es mir zur hohen ehre gereichen würde, unter den
Auspizien der Reichs – Postverwaltung meine Tätigkeit
dem Unternehmen zu widmen, dem ich seit Jahren meine
Studien und Sympathien zugewandt habe, so möchte ich
doch zu bemerken mir gestatten, dass die Stellung eines
Agenten, lediglich zur Ermittlung von Teilnehmern für
die allgemeine Fernsprechanlage in Berlin, meinen
Neigungen und vielleicht auch Fähigkeiten weniger
entsprechen würde als die eines Vertreters, welche die
bezüglichen Vorfragen und Verhandlungen mit dem Publikum
so zu erledigen gestattet, dass der Abschluss der
Verträge ohne weiteres erfolgen könnte.
Meiner unmaßgeblichen Meinung nach würde dadurch
erheblich nicht nur an Zeit und Mühen gespart, sondern
die Sache selbst wesentlich gefördert und das Vertrauen
des Publikums zu einem fachmännisch gebildeten Vertreter
gestärkt. Denn wiewohl ich nicht zweifle, dass meine
bisherigen Beziehungen zur Bank- und Handelswelt mir
nicht weniger die Wege bahnen werden als meine vielen
Verbindungen mit hervorragenden Industriellen aus der
Zeit meiner Tätigkeit als Inhaber der Maschinenfabrik M.
Weber, hier, und obgleich ich ferner voraussetzen darf,
dass meine Erfahrungen als Ingenieur auf dem in Rede
stehenden Gebiete nicht ohne Nutzen für meine
Bestrebungen bleiben werden, so verhehle ich mir nicht,
dass die Einwohner unserer Stadt neuen Einrichtungen
gegenüber stets ungewöhnliche Kälte bewahrt haben, und
dass auch das neue Unternehmen in den nächsten Jahren
Schwierigkeiten nach dieser Richtung zu begegnen haben
wird, welche eine vertrauenerweckende Stellung leichter
zu überwinden vermag. Sollten übrigens Garantien für
Erfüllung der zu erweiternden Befugnisse wünschenswert
sein, so bi ich gern bereit, Sicherheiten zu bestellen.
Hinsichtlich einer für meine Bemühungen zu gewährenden
Entschädigung enthalte ich mich jedes Antrages, stelle
dieselbe vielmehr dem gefälligen Ermessen der Reichs –
Postverwaltung anheim. Sollte aber meine Mitwirkung nur
vorübergehend oder für einen verhältnismäßig kürzeren
Zeitraum beansprucht werden, so würde ich unter Verzicht
einer Entschädigung es als Ehrensache betrachten, an der
Förderung eines Unternehmens mitgewirkt zu haben,
welches segensreich für die Entwicklung des
hauptstädtischen Verkehrs werden wird.
Ew.
Hochwohlgeboren
ergebener
gez. Emil
Rathenau.“
Aus
diesem Schreiben geht hervor, dass Emil Rathenau, der
damals schon seit mehreren Jahren nach außen hin untätig
in Berlin lebte, gern auf das ihm gemacht Anerbieten
einging, obwohl es auch auf der von ihm gewünschten
erweiterten Grundlage, die das Reichs – Postamt ihm
bereitwillig zugestand, organisatorische oder andere
bedeutend Aufgaben nicht in sich schloss: Bei Rathenaus
Tätigkeit kam es darauf an, dass er durch persönliche
Einwirkung in den ihm nahestehenden kaufmännischen
Kreiden in Berlin für eine Beteiligung am
Stadtfernsprechverkehr weitere Stimmung machte, dass er
die für ein Abonnement gewonnenen Personen ein ihm von
der Postverwaltung geduckt geliefertes Vertragsformular
unterzeichnen ließ und dass er den Interessenten
außerdem an der Hand der im Reichs – Postamt
ausgearbeiteten „allgemeinen Bedingungen für die
Benutzung der Stadtfernsprecheinrichtung“ sachgemäße
Auskünfte erteilte.
Damit
sich Emil Rathenau bei seiner Tätigkeit als Beauftragter
der Reichs – Postverwaltung jederzeit ausweisen konnte,
versah ihn das Reichs – Postamt mit einer Vollmacht
nachstehenden Inhalts:
„Berlin W, den 6.
September 1880.
Vollmacht.
Herr Emil Rathenau,
Eichhornstraße 5, hierselbst, wird hierdurch ermächtigt,
wegen Benutzung der Fernsprechanlagen, welche von der
Reichs – Postverwaltung für Berlin angelegt werden, mit
den Teilnehmern aus dem Kreise des Publikums die
erforderlichen Verhandlungen zu führen und die
entsprechenden Verträge, vorbehaltlich der diesseitigen
Genehmigung, abzuschließen.
Reichs – Postamt II. Abteilung
gez. Budde.“
Neben
diesen Arbeiten übernahm es Emil Rathenau einige Monate
später, im Auftrage des Reichs – Postamts mit den
Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin, vertreten durch
den Geheimen Kommerzienrat W. Herz, die allgemeinen
Bedingungen zu erörtern, unter denen Börsenbesuchern
während der Börsenzeit der Fernsprechverkehr mit
Teilnehmern an der Berliner Stadtfernsprecheinrichtung
gestattet werden sollte. Nachdem die Bedingungen
festgelegt worden waren, teilte Emil Rathenau sie den
Börsenbesuchern durch Rundschreiben mit. Bis April 1881,
wo dieser Sprechverkehr ins Leben trat, hatten sich
ganze 26 Börsenbesucher als Teilnehmer gemeldet.
Darunter befanden sich 22 Firmen und Bankhäuser und 3
Zeitungen (Rudolf Mosse – Berliner Tageblatt, National –
Zeitung und Berliner Börsenkurier). In 9 von dem
Ältestenkollegium hergerichteten Sprechzellen wurde der
Verkehr in der Börse abgewickelt. (Die erste öffentliche
Sprechstelle kam ein Jahr später dort in Betrieb.) Man
sieht hieraus, wie zurückhaltend sich selbst die
Berliner Börsenwelt der neuen Verkehrseinrichtung
gegenüber verhielt, solange sich die Anlage noch nicht
im Betriebe befand. „Eine beträchtliche Steigerung der
Börsenverbindungen wird erst zu erwarten sein,“ –
schrieb Emil Rathenau im Dezember 1880 an den Geheimen
Oberpostrat Ludewig „wenn durch bessere Kenntnis
herrschende Vorurteile auch in diesen Kreisen besiegt
sind.“ „Richtig“, schrieb Stephan, den Ludewig diesen
Brief Rathenaus vorgelegt hatte, als Randvermerk dazu.
Auch
die Anmeldungen aus dem Berliner Publikum für die
geplante allgemeine Stadtfernsprecheinrichtung gingen
nicht minder spärlich ein, trotz der Werbetätigkeit
Rathenaus und nicht zuletzt auch der persönlichen
Bemühungen Stephans, in den kaufmännischen Kreisen der
Reichshauptstadt, mit denen den volkstümlichen
Generalpostmeister vielseitige Beziehungen verknüpften,
Abonnenten zu gewinnen. Nur „mit sanfter Gewalt bewog er
einige Häupter von führenden Bankhäusern und
industriellen Firmen Berlins, ihre Teilnahme na der
Berliner Fernsprechanlage zu erklären, was unter
Kopfschütteln und mehr aus Gefälligkeit als aus
Überzeugung von den etwa zu erwartenden Vorteilen
geschah“. Als die eine der beiden für Berlin
vorgesehenen Vermittlungsanstalten am 12. Januar 1881 in
dem Telegraphendienstgebäude, Französische Straße 33c,
zunächst versuchsweise in Betrieb genommen wurde, hatte
sie, sage und schreibe, 8 Teilnehmer. Es waren das die
Mitteldeutsche Kreditbank, Bankgeschäft Jacob Landau,
der Geheime Kommerzienrat G. von Bleichröder, die
Direktion der Diskontogesellschaft, die Deutsche Bank,
die Direktion der Großen Berliner Pferdeeisenbahn –
Aktiengesellschaft, Bankgeschäft Karl Schlesinger –
Trier (Behrenstraße 20) und Cäsar Wollheim (Kohlen und
Metalle). In Berliner Zeitungen wurde damals auf dieses
„Ereignis“ mit folgenden, unter den tatsächlich
obwaltenden Verhältnissen uns jetzt etwas heiter
stimmenden Worten hingewiesen: „Mit jedem neuen
Anschluss mehrt sich der Nutzen und die Bedeutung der
allgemeinen Fernsprechanstalt auch für den einzelnen
Teilnehmer. Da die Fernsprechzentrale vom Augenblicke
der Inbetriebsetzung an zur großen Befriedigung der an
sie Angeschlossenen arbeitet, haben sich sogleich
mehrere Personen und Geschäftshäuser weiter als
Teilnehmer in die Listen der Reichs –
Telegraphenverwaltung eintragen lassen.“
Das
erste Berliner Teilnehmerverzeichnis erschien März 1881,
als die Inbetriebnahme der ganzen Anlage bevorstand. Da
es nur 48 Teilnehmer, einschließlich der 9
Börsensprechstellen, umfasste, war es noch in
Metalldruck hergestellt und bestand aus 4 halben
Bogenseiten. Außer den schon genannten 8 Teilnehmern
gehörten zu diesen ersten Abonnenten: Bankgeschäft
Gebrüder Arons, Ferd. Vogts & Cie.
(Zimmereinrichtungen), Geh. Kommerzienrat Liebermann,
Rathenau & Arnheim (Tuch und Buckskinen gros), L. & S.
Abraham (Gardinen und Möbelstoffe), Julius Isaac
(Fischbei- und Rohrfabrik), Maschinenbauanstalt Karl
Beermann, Bankgeschäft Goldstein, Pintus & Co., Brasch &
Rothenstein (Spedition), Verlag der National – Zeitung,
Siepermann (Direktor der Internationalen Eisenbahn –
Schlafwagengesellschaft), Bankgeschäft Mendelsohn &
Cie., Bank für Handel und Industrie, Bankgeschäft S.
Frenkel, Zeitungsverlag des Berliner Börsenkuriers,
Bankgeschäft Rob. Warschauer & Co., Bankgeschäft Cohn
Bürgers & Co., Gebr. Buhlmann (Posamentierwaren),
Goschenhofer & Rösicke (Wäsche), Dossische Zeitung,
Adolf Salomon & Co. (Leder und Produkte), Buchdruckerei
H. S. Hermann, I. Ravené Söhne & Cie. Herrmann Berson,
Treu & Auglisch, Hofbuchdruckerei W. Möser, Verlag
Rudolf Mosse (Berliner Tageblatt), Ingenieur E.
Rathenau, Kühl & Rösicke (Passementerie) sowie das
Reichsamt des Innern und die Reichsdrucker.
Mit
diesem Teilnehmerkreise wurde die Berliner
Stadtfernsprecheinrichtung am 1. April 1881 endgültig
eröffnet. Es hatte Stephan, der Postverwaltung und
Rathenau, von dem über 1000 im Reichs – Postamt im Druck
hergestellte Werbeschreiben losgelassen worden waren,
wirklich Mühe gekostet, die kleine Schar, der sich
Rathenau selbst noch mit anschloss, zusammenzubringen.
Auch der technische Bau der Anlage war mit
Schwierigkeiten verknüpft gewesen. Diese entsprangen
mangelndem Entgegenkommen einzelner, nämlich der
Besitzer der Häuser, bei denen sich die Notwendigkeit
ergab, auf dem dache Stützpunkte für die darüber
hinwegführende Drahtleitung anzubringen. Die
Widerstände, die hierbei in Berlin im Gegensatze zu
andern Orten, wie Mülhausen (Elf.) und Hamburg,
überwunden werden mussten, waren teilweise so groß, dass
trotz der vorläufig so geringen Ausdehnung der Berliner
Fernsprechanlage drei Telegraphenbaubeamte damit zu tun
hatten, um von jenen Hausbesitzern die erforderlichen
Zustimmungserklärungen zu erlangen. Der damit verknüpfte
Aufwand an Zeit und Mühe wäre noch größer gewesen, wenn
nicht der Berliner Magistrat durch eine Bekanntmachung
in seinem Kommunalblatte sein reges Interesse für das
neue Unternehmen bekundet und die Bezirksvorsteher
ausdrücklich aufgefordert hätte, den Hausbesitzern
klarzumachen, dass ihrerseits dem gemeinnützigen Zwecke
der Verkehrsanlage durch möglichste Willfährigkeit am
besten gedient werde. Die Stadt Berlin war außerdem so
entgegenkommend, bei sämtlichen städtischen Gebäuden die
Aufstellung von Leitungsstützpunkten bedingungslos zu
gestatten. Kaum waren dann bis Frühjahr 1881 die
Stützpunkte für die ersten Fernsprechleitungen angelegt
worden, als der weiteren Ausbreitung des
Fernsprechnetzes in der Reichshauptstadt ein neues
Hindernis erstand. Das war die Blitzgefahr. Hatten die
Hausbesitzer, als ihnen die Zustimmungserklärungen von
der Postbehörde während des Winters abgerungen wurden,
daran noch nicht gedacht, so trat sie ihnen jetzt um so
lebendiger vor Augen, zumal Leute, die von der Sache in
Wirklichkeit nichts verstanden, in wissenschaftlich
gefärbten Aufsätzen von den Fernsprechgestängen auf den
Dächern zu orakeln wussten, dass sie bei Gewittern
geradezu eine Gefahr für die Häuser bedeuteten. So zog
sich bei den Berliner Hausbesitzern eine schwere Wolke
des Unmuts zusammen, die ihren entschiedensten Einspruch
gegen die bereits aufgestellten oder weiter geplanten
Dachstützpunkte der Fernsprechleitungen auslöste – bis
das erste große Gewitter Mitte Juni 1881, das über
Berlin niederging, auch hier sine reinigende Wirkung
ausübte. Selbst die stärksten elektrischen Entladungen
ließen die gesamte oberirdische Stadtfernsprechanlage
unberührt, und es zeigte sich, dass sie mit ihren
eingebauten, zur Erde führenden Blitzableitungen statt
gefahrbringend zu wirken, im Gegenteil einen Schutz
gegen die Blitzgefahr bildete. Mit dieser Erkenntnis war
für die Entwicklung der Berliner Stadtfernsprechanlage
nunmehr freie Bahn geschaffen. Noch gerade zur rechten
Zeit. Denn mit so kritischen Augen auch das Berliner
Publikum selbst noch die Vorbereitungen für die
Herrichtung der Anlage betrachtet hatte – nun, wo sie im
Gange war und dank ihrer gediegenen Ausführung vom
ersten Tage an einwandfrei arbeitete, wurde man sich der
Vorzüge, die sie bot, plötzlich in einem Maße bewusst,
dass die Postverwaltung alle Hände voll zu tun bekam, um
die sich meldenden neuen Teilnehmer anzuschließen. Als
Ende Juni 1881, wo sich die Zahl der Abonnenten
inzwischen bereits verdreifacht hatte, an einem Tage
über 400 Verbindungen in Berlin ausgeführt worden waren,
schrieb die Dossische Zeitung (in ihrer Nummer vom 2.
Juli) hierzu folgendes: „Welche Leistung hierin
enthalten ist, wird leicht übersehen. Rechnet man jede
verbundene Leitung im Durchschnitt nur 1 ½ km lang – in
Wirklichkeit sind deren bis 13 km Länge vorhanden -, so
werden durch 400 Verbindungen 2 x 1200 = 2400 km
Botengänge (hin und zurück) erspart. Nimmt man die
Tagesleistung eines Boten auf 24 km an, so wird demnach
die Dienstleistung von 100 Boten entbehrlich, die
indessen auf den ganzen Tag verteilt werden müsste,
während der Hauptfernsprechverkehr auf die Stunden von 9
– 2 Uhr fällt. Die Hauptsache bleibt aber für die
Teilnehmer die Zeitersparnis. Diese beträgt für 2400 km
täglich bei rund 15 Minuten Zeitaufwand für 1 km nicht
weniger als 600 Stunden! Von welchem Vorteil es außerdem
ist, im unmittelbaren mündlichen Verkehr die bei
Bestellungen durch andere und bei flüchtigen Notizen
sonst vorkommenden Irrtümer und Missverständnisse
vermeiden zu können, vermag nur der Beteiligte im ganzen
Umfange zu ermessen.“ Der Verfasser dieser Notiz hätte
zur Vervollständigung der Vorzüge des neuen Berliner
Verkehrsmittels unbedenklich auch noch dessen Billigkeit
mit anführen können angesichts der Höhe des
Jahresabonnements in anderen Ländern. Denn während der
Teilnehmer in Frankreich (ausschließlich Paris) 400
Franken = 320 Mark und in Paris selbst 600 Franken – 480
Mark, in England 450 bis 500 Mark und in New York sogar
1060 Mark) bei einer bis 2 km langen Anschlussleitung zu
zahlen hatte, verlangte die Reichspost dafür nur 200
Mark.
Die
technischen Anlagen der jungen Berliner
Stadtfernsprecheinrichtung zogen alsbald die
Aufmerksamkeit anderer Verkehrverwaltungen auf sich.
Schon in den beiden ersten Betriebsmonaten kamen u. a.
aus Belgien, Frankreich und Ägypten höhere Fachbeamte
und Ingenieure nach Berlin, um die Bauausführung sowie
die Einrichtung der Sprechstellen und der
Vermittlungsanstalten eingehend zu studieren.
Die
Sprechstellen der Teilnehmer waren mit zwei patentierten
Siemensschen Fernsprechern ausgestattet, von denen der
eine zum Hören, der andere zum Heben diente. Bei jedem
Teilnehmer war außerdem ein Klingelweckerwerk
aufgestellt, das sich selbsttätig ein- und ausschaltete.
In der Fernsprechvermittlungsstelle stand jede der
eingeführten Anschlussleitungen mit einer
Signalvorrichtung in Verbindung. Diese brachte beim
Anruf eines Teilnehmers ein elektrisches Läutewerk zum
Tönen und ließ gleichzeitig dessen Teilnehmernummer in
die Erscheinung treten. Die einzelnen
Signalvorrichtungen waren, zu je 50 zusammen, in einem
schrankartigen Behältnis untergebracht (Klappenschrank).
Durch besondere Umschaltevorrichtungen war dafür
gesorgt, dass die an zwei verschiedene Klappenschränke
herangeführten Teilnehmerleitungen sowohl innerhalb
derselben Vermittlungsanstalt als auch zwischen
verschiedenen Vermittlungsanstalten miteinander
verbunden werden konnten).
Noch
im ersten Betriebsjahre (1881) mussten infolge ständiger
Zunahme der Teilnehmerzahl neben den beiden vorhandenen
Vermittlungsanstalten (Französische Straße 33c und
Mauerstraße 74) zwei weitere (Französische Straße 35 und
Köpenicker Straße 122) eingerichtet werden. Sie befanden
sich sämtlich in reichseigenen Postgebäuden. Die erste
öffentliche Fernsprechstelle wurde in Berlin am 15
August 1881 beim Postamt 64 (Unter den Linden) eröffnet.
Mit dem Zeitpunkt der endgültigen Inbetriebnahme der
Berliner Stadtfernsprechanlage legte das Reichs –
Postamt den weiteren Ausbau und die Betriebsleitung in
die Hände der Berliner Oberpostdirektion. Der Ingenieur
Emil Rathenau, der bis dahin in einem Zimmer des
Telegraphendienstgebäudes Französische Straße von 10 –
12 Uhr vormittags Sprechstunden für das Publikum in
Fernsprechsachen abgehalten hatte, setzte dies und die
von ihm betriebene Gewinnung von Teilnehmern nur noch
für kurze Zeit weiter fort. Anfang Juni 1881 legte er
nach insgesamt neunmonatiger Betätigung seine Geschäfte
nieder, weil die neue Verkehrsanlage fortan einer
besonders für sie wirkenden Werbearbeit nicht mehr
bedurfte. Als derselbe Emil Rathenau als Generaldirektor
der Allgemeinen Elektrizitätswerke in Berlin am 20.Juni
1915 das Zeitliche gesegnet hatte, unterließ der
Staatssekretär des Reichs – Postamts Kraetke nicht, in
dem längeren Beileidstelegramm, das er an die A. E. G.
richtete, auch jener weit zurückliegenden Tätigkeit
Rathenaus zu gedenken, was mit den Worten geschah: „sein
Name ist verknüpft mit der ersten Einführung des
Fernsprechers in Deutschland.“
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