Die Bell - Telephon - Prozesse.

             Die Streitigkeiten über die Gültigkeit des Bell – Patentes dürften vorläufig einen Abschluss erreicht haben, wenn auch der Regierung der Vereinigten Staaten, welche das Patent, als auf betrügerischem Wege erlangt, umstoßen wollte, noch Berufung an den höchsten Gerichtshof übrig bleibt. Bell ist Sieger; und den Kernpunkt seines Patentes vom 7. März 1876, den berühmten fünften Anspruch, hat der höchste Gerichtshof besonders als rechtskräftig anerkannt. Auch die Betrugsfrage kam vor diesen Gerichtshof, und da entschieden ward, dass keinerlei Unregelmäßigkeit vorgekommen oder auf jeden Fall genügend erklärt seien, so dürfte auch die Regierung nach dieser Entscheidung den Prozess nicht weiter verfolgen.

            Man muss erwägen, dass zwei Hauptprozesse ausgefochten wurden oder noch werden. Die American Bell Telephone Company hatte seit Jahren die zahlreichen anderen Telephon – Gesellschaften angegriffen und in erster Instanz geschlagen. Auch in der zweiten Instanz blieb Bell siegreich. Es wird vielfach darüber gemurrt, dass in der ersten Instanz der eigentliche Kernpunkt der Frage, die Priorität der Erfindungsansprüche von Reis, Drawbaugh, Mc Donaugh u.A., nicht gehörig erörtert sei, dass aber die zweiten Instanzen gerade diesen Punkt als bereits erledigt angesehen und sich mehr mit Prüfung anderer Fragen befasst hätten. Ferner wurden persönliche Anschuldigungen gegen Richter gemacht, welche an der Telephon – Gesellschaft ein direktes oder indirektes Interesse haben sollten. Außerdem sollte die Bell – Gesellschaft, kraft ihrer sehr bedeutenden Mittel, die Prozesse auf alle Weise verzögern, so dass den ärmeren Gesellschaften der Atem ausginge. Schließlich ward geradezu behauptet, dass das Bell – Patent durch Betrug und Bestechung erlangt sei, deren sowohl Bell als seine Anwälte schuldig seien. Die Einmischung der Regierung erfolgte 1885 bei Gelegenheit des Prozesses Bell gegen die Pan Telephone Company in Memphis im Staate Tennessee. Ein Haupt – Aktionär dieser Gesellschaft, der Attorney General der Vereinigten Staaten, Garland, sollte sich bei diesem Prozesse in einer Weise verhalten haben, die sich mit seiner amtlichen Stellung nicht vereinbaren ließe So hatte die Sache von Anfang an einen fatal politischen Anstrich, der sich natürlich dadurch verschärfte, dass Garland zur demokratischen Partei gehörte, welche damals eben nach einer republikanischen Regierungsperiode von 25 Jahre ans Ruder gekommen war, während der große Anhang der Bell – Gesellschaft zu den unterlegenen Republikanern zählt. Der Präsident der Vereinigten Staaten beauftragte den Minister des Innern, Lamar, mit der Untersuchung der Angelegenheit, und es ward dann auf dessen Bericht beschlossen, vor Gericht einen Antrag einzubringen, die Bell – Patente für nichtig zu erklären. Ob der Regierung das Recht zustände, eine solche Umstoßung eines Patentes zu beantragen, schien sehr zweifelhaft. War wirklich Betrügerei vorgekommen, so war der betreffende Beamte im Patentamt, der sich nach seiner eigenen Aussage hatte bestechen lassen, ein zweifelhaftes Subjekt; er schien sich seitdem nicht besonders gebessert zu haben, da er – wie man sagte – heute dies, morgen das Gegenteil beschwor. Die Anschuldigung war, dass dieser Beamte Bell von dem Caveat von Elisha Gray Kenntnis gab, Bell seine Schrift zurückgab, ihm Zeit ließ, dieselbe zu verbessern, und dann so verbessert, nicht wie ursprünglich eingereicht, eintrug. Nach Ansicht der Richter hätte alles dies nicht in den Tagen von 14. bis zum 19. Februar 1876 geschehen können.

            Der Prozess der Regierung kam zunächst vor den Gerichtshof zu Columbus in Ohio, welcher sich für inkompetent erklärte, wie Bell´s Anwälte dies forderten und das Publikum erwartete; dann vor Gericht zu Boston im Staate Massachusetts, wo die Bell – Gesellschaft ansässig ist, Dieses gab seine Entscheidung am 26. September 1887: Die Regierung habe keine Macht, einen solchen Prozess anzustrengen. Sektion 8, Akt I, der Verfassung vom Jahre 1831, auf welcher die Patent – Gesetzgebung der Vereinigten Staaten beruht, erteile keine solche Vollmacht, und obwohl man mehrere Male eine Vervollständigung des Gesetzes in dieser Richtung beabsichtigt habe, so seien diese Vorschläge doch nicht angenommen. Auf anderen Gebieten, z.B. in der Verwaltung der öffentlichen Länder, stehe der Regierung allerdings ein Einschreiten zu; die Einmischung könne notwendig werden. Da diese Frage aber auf dem Wege des gewöhnlichen Verfahrens entschieden werden könne, so lehne der Gerichtshof den Antrag ab. – Es hieß damals, dass die Regierung an den höchsten Gerichtshof appellieren, und zwar auf schleunigste Erledigung der Frage dringen wolle. Inzwischen aber hat – wie oben erwähnt – dieser höchste Gerichtshof (U.S. Supreme Court) am 19. März sechs Appellationsfälle entschieden.

            Es sind dies die Prozesse Bell versus Dolbear, von Molecular Telephone Company, von Clay Commercial Telephone Company, von Peaple´s Telephone Company, von Overland Telephone Company. Das Erkenntnis würde wohl zehn Seiten dieser Zeitschrift bedecken, wenn nicht mehr. Der Gerichthof spricht Bell nicht nur die Erfindung gewisser Apparate zu, mittels deren man die Sprache fortleiten und wieder erzeugen kann, sonder im weitesten Sinne die >>Entdeckung der Kunst<<, dieses zu tun. Bedient habe er sich hierzu kontinuierliche Ströme, welche mit den Schallwellen in Stärke variieren, und nur mittels solcher Ströme sei Erfolg möglich; er habe diese undulatorische Ströme genannt, nicht weil sie wirklich von dieser Art seien, sondern weil dieser Name sie genügend kennzeichne. Der fünfte Anspruch Bell´s besagt: >>Methode und Apparate zur Übertragung von Stimm- und anderen Lauten auf elektrischem Wege dadurch, dass elektrische Undulationen, ähnlich den Vibrationen der schwingenden Luft, erzeugt werden in der Weise, wie weiter beschrieben.<< Da im Weiteren in der Patentschrift die Schwingungen einer metallischen Platte vor einem Magnete oder Elektromagnete besprochen werden, so nahm man an, dass nur diese Anordnung patentiert sei und das Mikrophon frei bleibe. Nach diesem Erkenntnis aber scheint Bell ein Monopol von weitestem Umfange zu besitzen, und Hughes hätte danach erst anfragen müssen, ob es gestattet sei, das Mikrophon zu erfinden. Das Erkenntnis bespricht dann die Priorität von Reis, Vander Weyde, Mc Donough, Drawbaugh, Cromwell Varley u.A. Reis habe musikalische Töne übertragen, nicht mehr; sein Telephon habe nie gesprochen und könne nicht sprechen. Paddock hatte schon früher ausgesagt, dass Reis selber erklärt habe, warum sein Telephon die Konsonanten ziemlich gut wiedergäbe, die Vokale aber weniger gut; Prof. Nipher u.A. haben gezeigt - Dolbear hat ganz neuerdings weiter interessante Beobachtungen gemacht -, dass sein Telephon spricht, wenn auch schlecht genug. Ingersoll, einer der Anwälte, fasste die Sache etwas drastisch so zusammen: >>Der Reis – Geber spricht mit einem Reis – Empfänger, besser mit einem Bell – Empfänger – wie zugegeben werden -; ebenso spricht der Reis – Empfänger mit einem Reis – Geber, besser mit einem anderen Geber. Jedenfalls aber spricht der Reis – Geber; er muss also geben, denn das andere Instrument kann nur wieder erzeugen, was erzeugt war. Spricht man zu laut in einen Reis – Geber, so rührt man Bell´s Patent nicht an; spricht man mäßig laut, so übertritt man es.<<

            Die Priorität von Reis hatte noch besondere Wichtigkeit, da Mc Donough sich eine Verbesserung von Reis patentieren ließ. Betreffs der Priorität von Daniel Drawbaugh waren die sieben Richter nicht einig, aber drei gegen ihn. Betont ward namentlich die Unwahrscheinlichkeit, dass eine so wichtige Erfindung vier Jahre lang unbekannt bleiben konnte, bis die People´s Telephone Company seine Ansprüche aufnahm. Die dissentierenden drei Richter sehen hierin nichts Auffallendes;  Drawbaugh war nach ihnen ein einfacher, mittelloser Mechaniker in einem abgelegenen Dörfchen, Eberly Mills in Pennsylvania; und 70 Leute hatten geschworen, dass sie ihn mit dem vorgelegten Instrumente hatten sprechen hören. Betreffs der beschuldigten Betrügerei scheinen die Richter dagegen einstimmig gewesen zu sein. In dem Prozess Dowd sei allerdings ein Unterschied zwischen den betreffenden Urkunden entdeckt worden; dieser sei indes einem Druckfehler zuzuschreiben, und die Richter erklärten sich durch die gegebenen Erklärungen vollkommen befriedigt. In dem sechsten Falle appellierte die Bell – Company gegen die Molecular Telephone Company; sie war auch hier siegreich, nachdem sie in zweiter Instanz verloren hatte. Dort war nämlich entschieden, dass der Magnet von Schellen ein neueres Patent von Bell, vom 30. Januar 1877, ungültig mache. Jetzt ward dahin erkannt, dass Bell´s Anspruch nicht nur den Magnet, sondern das ganze Telephon betraf, von dem der Magnet nur einen Teil ausmachte; es ward dann auch hier die Rechtskräftigkeit des Bell – Patentes anerkannt.

            Kein Wunder, dass die Bell – Aktien nach dieser Entscheidung noch höher stiegen, als sie lange gewesen sind, von 144 auf 160. Wie erwähnt, steht der Regierung noch Appellation zu; man scheint aber anzunehmen, dass sie den Prozess ruhen lassen wird, obwohl der Ober – Richter Waite wenige Tage, nachdem er seine Entscheidung gegeben, starb. Es war dies sein letztes Erscheinen im Gerichtshof, wie auch, eigen genug, 1882 der englische Master of the Rolls, Sir George Jessel, das letzte Mal präsidierte, als er die Bell – Telephone – Frage für England entschied. Aufrechterhaltung des fünften Anspruches scheint man erwartet zu haben, wenn auch nicht Verallgemeinerung desselben. Auch in Mexiko hat Bell gewonnen. Dort hatten Andere Telephone geliefert, da, obgleich die dortige Gesellschaft, mit Zustimmung von Bell und Blake, Patent erhalten habe, diese ungültig seien, weil nach mexikanischem Gesetz nur dem wirklichen Erfinder ein Patent bewilligt werden darf. Möglich indes, dass die Sache wegen anderer Gründe in den Vereinigten Staaten wieder angeregt werden wird. Man erörtert jetzt lebhaft die Frage, ob nicht die Regierung, wie in anderen Ländern, neben dem Postdienst auch den Telegraphendienst übernehmen solle. Dass die Regierung etwas derartiges beabsichtigt, schließt man u.A. auch daraus, dass sie sich in Brückenkonzessionen das Recht zur Befestigung von Drähten vorbehalten hat. Auf der anderen Seite soll auch die Bell – Gesellschaft für Regierungs – Telegraphie stimmen, so dass die Nebenbuhlerschaft zwischen der mächtigen Telegraphen – Gesellschaft und der mächtigen Telephon – Gesellschaft wieder reger wird.

Nachfolgend: Der ursprüngliche Patentantrag, wie ihn Bell zunächst stellte, zurücknahm und ihn letztlich verbessert wieder viel später einreichte, wobei jedoch das erste Datum der Einreichung aufrecht erhalten blieb - siehe rote Text-Pasage oben.

Experiments made by A. Graham Bell  ( Volume I )
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Artikel von Dr. Borns, erschienen im Mai 1888 in der Elektrotechnischen Zeitschrift.

Patentantrag aus "The Telephon Patent Conspiracy of 1876".

 





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