John und Charles J. Erickson, Frank A.
Lundquist und Alexander E. Keith.
Smoky Valley im
Zentrum von Kansas wurde in den 1860er Jahren von schwedischen Einwanderern
bevölkert, die fortan in musikalischer und künstlerischer Richtung das Land
prägten. Unter ihnen waren auch die Brüder John und Charles J. Erickson.
Zusammen mit rund 250 Schweden emigrierten beide Brüder mit ihren Eltern im
Mai 1869 unter der Führung von Referent Olof Olsson nach Lindsborg im Smoky
Valley.
Geboren wurde John Erickson (25. Januar 1866 - 18. Oktober 1943) in
Längbanshyttan auf Värmland und Charles J. Erickson (23. Juli 1870 - 28.
September 1954) auf dem drei Meilen nordöstlich von Lindsborg gelegenen Gehöft
Erickson als Söhne des Mechanikers und Schmieds Anders Erickson und dessen
Frau Anna Maria. Im Jahre 1869 zogen John mit seinen Eltern von Värmland auf
das Gehöft. In einem späteren Bericht von Charles Erickson findet man neben
der Beschreibung ihrer täglichen Aktivitäten auch Aufzeichnungen über den
frühen Kontakt zu Frank A. Lundquist aus Galva, Illinois (23. Juni 1868 - 06.
April 1954), der 1870 ins Smoky Valley kam und zu ihrem Freund und späteren
Mitarbeiter wurde. Als die Brüder ihren Kindertagen entwachsen waren
beschäftigten sie sich drei Jahre lang mit der Konstruktion eines Perpetuum
Mobile, doch der Erfolg blieb aus. Zu dem mussten sie laufend ihre Arbeit
unterbrechen, um andere, aktuellere Probleme zu lösen. Sie entwickelten
anschließend einen pferdelosen Buggy mit einem mit Gas betriebenen
Verbrennungsmotor, dessen Leistung jedoch völlig unzureichend war.
Über diese Zeit schrieb Charles Erickson:
„John und ich blieben bei unseren Ideen und wir waren
beschäftigten denn je. Unsere Werkstatt auf dem Hof war ein geschäftigter Ort,
Tag und Nacht während der Wintermonate und wann immer sich auch im Sommer
Gelegenheit bot, arbeiteten wir dort und die Petroleumlampe brannte fast jede
Nacht bis nach Mitternacht. Wir hatten Pläne für einen Telegrafen, für ein
neuartiges Grammophon und für ein Druckverfahren. Eine in Denver ansässige
Person finanzierte unsere Ideen“.
Der Besuch Lundquist in
einem Hotel in Salina, in dem er den Betrieb einer herkömm-lichen
Telefonzentrale beobachten konnte, der Besuch einer Ausstellung von Mustern
der Strowger-Wähler und das kurze Arbeiten bei Strowger inspirierte ihn zur
Entwick-lung eines eigenen automatischen Vermittlungssystems. Er beschrieb
dies wie folgt:
„Die Idee kam mir dann, dass eines Tages
diese Verbindungen automatisch von statten gehen würden. Ich schlenderte um
das Hotel und meine Gedanken beschäftigten sich prüfend mit dieser Idee, und
in meinem Kopf verklärte sich das Bild“.
Zuhause hatte
Lundquist auf dem Dachboden einer alten Scheune in Lindsborg eine kleine
Werkstatt, in der er versuchte, seine Idee in die Praxis umzusetzen. Über
einen Artikel einer wissenschaftlichen Zeitschrift erhielt er Kenntnis davon,
dass bereits jemand in Chicago versuche, ein solches System zu entwickeln. Ihm
war ebenfalls bekannt, dass Alexander Graham Bell im Jahre 1876 ein Patent für
ein brauchbares Telefon erhalten hatte und nur drei Jahre später die Brüder
Connolly in Zusammenarbeit mit Mc Tighe ein automatisches Umschaltesystem
entwickelt hatten, das jedoch für größere Zentralen völlig ungeeignet war.
Auch der von Almon Brown Strowger 1889 konstruierte Wähler, auf dessen Basis
am 03. November 1892 das erste öffentliche, automatische Vermittlungsamt mit
zunächst 75, später 95 Teilnehmern in La Porte in Indianapolis errichtet
worden war, erfüllte nicht die von ihm gewünschten Bedingungen.
Als
Lundquist John und Charles J. Erickson seine Idee von der Entwicklung einer
automatischen Vermittlung unterbreitete sagte Charles dazu das Folgende:
„Nachdem John (Johannes) und ich ein paar Minuten darüber
nachdachten, kamen wir zu der Erkenntnis, dass es prinzipiell eng damit
zusammenhängt, womit
wir in Bezug mit dem Drucktelegrafen begonnen hatten.
Nähere Erklärungen Lundquists weckten in uns eine wahre Begeisterung und wir
erkannten den Wert
einer solchen Erfindung. Außerdem waren wir der Meinung,
dass sie eine Goldgrube sein würde. Wir waren uns einig, dass wir das Problem
angehen würden. Wir schoben unsere derzeitigen Arbeiten beiseite und
entwickelten vom 01. November 1892 an bis 1893 ein Modell mit 100-teiligen
Wählern mit Anrufsignalisierung".
Lundquist von Spitzen
und John Anderson, Getreidehändler aus Lindsborg und Salina unterstützten das
Trio finanziell.
Dann hielten sie die Zeit für gekommen, ihre automatische
Telefonzentrale der Welt zu präsentieren. Schnell waren sie sich einig, dies
sollte in Chicago geschehen. Carl O. Pearson, alter Freund und Nachbar der
Brüder Erickson brachte am 14. März 1893 eine Musteranlage mit seinem Wagen
auf den Bahnhof von Lindsborg, von wo aus sie die folgenschwere Reise nach
Chicago mit der Eisenbahn antrat. In Chicago angekommen wurde ein ehemaliger
Laden als Werkstatt angemietet und mit den notwendigen Gerät-schaften wie
Werkzeug und Maschinen ausgerüstet. Die „Chicago Telephon Company“ wurde
gegründet. Das Geld war knapp und man konnte sich keine zusätzlichen
Mitarbeiter leisten. Zunächst wurde eine Gruppe schwedischer Einwanderer, die
in Chicago lebten, zur Vorführung eingeladen. An mehr war im Moment wegen
fehlender finanzieller Unterstützung nicht zu denken. Das sollte sich jedoch
gegen Ende des Jahres ändern, als sie Besuch von zwei Männer bekamen, die mit
ihnen über ihre Erfindung diskutieren wollten. Diese beiden Männer waren Almon
Brown Strowger und Alexander E. Keith.
Die jetzige Situation beschrieb Charles Erickson
folgendermaßen:
„Blicken wir etwa ein Jahr
zurück, da wurde in Chicago eine Firma für die EntWicklung eines automatischen
Vermittlungssystem gegründet, nämlich die Automatic Telephon Exchange. Es war
die letzte Firma, die wir zur Vorstellung unserer Erfindung eingeladen hatten.
Während ihres Besuches erkannten Almon Brown Strowger und Alexander E. Keith
schnell die Schwächen ihres eigenen Systems und erachteten unsere Erfindung
als fortgeschrittener. Letztendlich unterbreiteten sie uns den Vorschlag,
ihrer Firma beizutreten, was wir ende des Jahres 1893 auch taten und so endete
unser erstes Jahr der Pionierarbeit auf der Suche nach Gold auf steinigem Weg
auf unerforschtem Boden. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir erst drei Anlagen,
zwei in Chicago und eine in Kansas aufgebaut“.
Die
Entwicklung der Strowger Automatic Exchange, gegründet am 30. Oktober 1891
erforderte fünf Leitungen zwischen Teilnehmer und Vermittlungsstelle, wogegen
die Anlagen der Brüder Erickson mit zwei auskamen. Zudem wies Charles Erickson
explizit darauf hin, dass zwar ihre erste Anlage für nur einhundert Teilnehmer
ausgelegt war, dies sich aber bald als völlig unzureichend herausstellte, und
sie folglich ihre Kapazität stetig erhöhten. Unter der Nummer 540.168
erhielten die Ericksons in Zusammenarbeit mit Keith und Lundquist am 28. Mai
1895 ein Patent unter dem Titel Electrical Exchange. Am 16. Dezember 1895
stellten Alexander E. Keith und John und Charles J. Erickson erneut einen
Antrag auf die Erteilung eines Patents für den nun gemeinsam weiter
entwickelten Wähler. Fast zwei Jahre sollten vergehen, bis ihnen unter der Nr.
638.249 das Patent zuerkannt wurde.
In Anbetracht der Tatsache, dass
Almon Brown Strowger sich im Herbst 1896 aus gesundheitlichen Gründen aus dem
Konsortium zurückzog und seine Patente an die Firma zur Vermarktung verkaufte,
kann er auch nicht in Zusammenhang mit der neuen, auf der Erfindung der Brüder
Erickson basierenden Entwicklung gebracht werden. Damit ist auch die Aussage,
die ersten in Deutschland verwendeten Wähler seien Strowger-Wähler gewesen,
falsch.
Der 1895 fertige und 1899 unter der Nummer 638.249 patentierte
Wähler wurde noch bis zum Sommer 1896 weiterentwickelt und in der ersten
deutschen Versuchsanlagen in Berlin, deren Aufbau 1899 begann, verwendet. Am
23. Juni 1897 wurde unter der Nummer 672.942 ein Patent für ein System für
1000 Teilnehmer beantragt und am 30. April 1901 erteilt.
Zu den
Hindergründen der letzten Entwicklungen schrieb Charles Erickson:
„John
und ich hatten schon lange vor dem Eintritt in die Strowger Company
beschlossen, des Erfolges wegen an unserem Prinzip festzuhalten. Die weitere
Entwicklung war lange verschwommen und diesen Nebel zu durchdringen
schien schier unmöglich, aber unser Hobby, uns ungelösten Problemen zu
stellen, stärkte unseren Willen und wir fanden einen Weg und die Hoffnung
verdrängte unsere Zweifel und ebneten den Weg für die Krönung unserer Arbeit.
Drei Jahre vergingen, bevor am 06. Juni 1896 das wichtigste
Modell im Bereich der automatischenVermittlungstechnik entstand. Anhand
einiger Demonstrationen war die erfolgreiche Arbeit erkennbar. Damit
standen jetzt die Türen auf einem Gebiet großer Möglichkeiten weit offen“.
Die Erfindung der Wählscheibe:
Alexander E. Keith, John Erickson und
Charles J. Erickson stellten am 20. August 1896 den Antrag auf Erteilung eines
Patents für eine Einrichtung zum besseren „Wählen" der Teilnehmernummer. Unter
der Patentnummer 595.062 wurde ihnen dieses am 11. Januar 1898 zuerkannt.
Anstelle von Tastern wurde jetzt ein Fingerrad verwendet, in das mit dem
Zeigefinger eingegriffen werden konnte und dann hat man das Fingerrad bis zum
Anschlag gedreht. Anstatt dedr später üblichen Löcher befanden sich Laschen
zum Eingreifen auf dem Ziffernblatt. Über diese revolutionäre Entwicklung
schrieb R. B. Hill:
„Mit dem Wählen einer Nummer geht das Spannen einer
Feder einher. Diese Feder Bewirkt, wenn der Finger zurückgezogen wird, die
Rückkehr der Ziffernscheibe in die Ruhelage mit einer durch einen Regler
beeinflussten gemäßigten Geschwindigkeit und steuert durch entsprechende
Stromkreisunterbrechungen bei der Rückkehr die zentrale Einrichtung“.
Die Brüder Erickson setzten als Entwicklungsingenieure ihre Arbeit bei der
zwischen-zeitlich in „Automatic Electric Company" umbenannten Strowger Company
bis zu ihrem Ausscheiden fort. Beide Brüder Erickson, Keith und Lundquist
leiteten gleich-berechtigt die Company. In späteren Jahren fanden hier über
6.000 Männer und Frauen Arbeit, denn das System setzte sich weltweit durch.
Außerhalb Amerikas wurde mit dem Aufbau der ersten Anlagen 1898 für 200
Teilnehmer in London und für 400 Teil-nehmer in Berlin begonnen. Später wurden
Anlagen nach diesem System in Kanada, Australien, auf Kuba, in Argentinien,
auf Hawaii, in Neuseeland, in Indien und Südafrika, dem fernen Osten und dem
Rest von Europa installiert.
Imk Verlaufe ihres Wirkens wurden John
Erickson 115 Patente und seinem Bruder Charles 35 Patente zuerkannt. Letzterer
erforschte vornehmlich die Gesetze der Natur und wurde oft aufgefordert,
komplizierte Problemstellungen zu meistern. Beide Männer wurden für ihre
hervorragenden Dienste auf dem Gebiet der Telefonie 1938 mit dem seit 1936
vergebenen „Talbot G. Martin-Preis“ geehrt.
Über den gesamten Entwicklungszeitraum der
automatischen Telefonie beginnend auf dem Hof nördlich von Lindsborg bis zu
dem Tage ihres Triupfes sagte Charles Erickson folgendes:
„Von diesem frühen frostigen Beginn des 14. März 1893, des
Abschieds von der friedlichen Prärie von Kansas über den folgenschweren Tag
des 6. Juni 1896, als der letzte Schliff des wichtigsten Modells in der
Telefonzentrale ausgeführt wurde, gab es Regenschauer und stürmische Tage, an
denen wir Pioniere im Unerforschten suchten. Und der Tag, an dem unsere
Leistung von Erfolg gekrönt, die Königin der Kommunikation - „The Machine
Girl“ - missbraucht und in der Kindheit verspottet, abgeschlossen wurde, wird
jetzt von allen Nationen gelobt“.
Lassen Sie uns an dieser Stelle ein
Resümee ziehen.
1. | Strowger benötigte 5 Drähte vom Teilnehmer zur Vermittlungseinrichtung, | |
2. | Die ersten Wähler stellte Strowger aus Papierkragen und Nadeln her, | |
3. | Strowgers Zentralen waren für maximal 99 Teilnehmer ausgelegt, | |
4. | Strowger erkannte selbst die Unzulänglichkeit seiner Erfindung, | |
5. | Strowger zog sich aus gesundheitlichen Gründen zurück, | |
6. | Der erste gebaute Wähler der Company nach dem Beitritt der Brüder Erickson und Frank Lundquist wurde nur ihnen und Alexander Keith, nicht jedoch Almon B. Strowger patentiert (Patentnummer 540.168, patentiert am 28. Mai 1895). |
Aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass Lundquist ein Mensch war, der sein Umfeld stetig beobachtete. So waren ihm auch die Entwicklungen der Edison-Laboratorien und den Brüdern Connolly und Mc Tight nicht entgangen. Zumal diese Herren ihre Entwicklungen stets auf Weltausstellungen präsentierten. Es soll an dieser Stelle nicht auf die Entwicklungen des Herrn Puskàs in den Edison-Laboratorien und des Herrn Dave Sinclair aus Großbritannien eingegangen werden, sonst müssten in diesem Zusammenhang noch mindesten weitere 10 Erfinder genannt werden, weil ihre Erfindungen für die globale Verbreitung der Selbstwahl keinerlei Bedeutung haben. Doch ein Mann muss in diesem Zusammenhang erwähnt werden, Michail Fillipo-witsch Frejdenberg. Betrachten wir seine Entwicklung, so erkennen wir durchaus Parallelen zu der dem Patent 540.168 zugrunde liegenden Entwicklung und der Verdacht liegt nahe, dass Lundquist und den Brüdern Erickson die Erfindung Frejdenbergs bekannt war.
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John Erickson (1866-1943) |
Charles J. Erickson (1870-1954) |
Frank A. Lundquist (1868-1954) |
Quellennachweise:
Svenska Nyheter, Chicago vom 19. Juli 1904
Telephony Magazine, Chicago vom
04. Februar 1939, Seiten 32 bis 33
The Early Years of the Strowger Systems,
Hill, Seiten 96, 99 und 100
Ibid, Seiten 98 und 100
The Story of the
Automatic Electric Company, Chicago, ND, Seite 10
Chapper`s Weekly, 28.
Juli 1923
Lindsborg News Record, 02. Februar 1939
Lindsborg News Record,
06. Juli 1923
Smoky Valley People, 1953, Dr. Emory Kampten Lindquist
Herr Lundquist erkannte schon sehr bald, dass zur Entwicklung eines neuen Systems viel Geld benötigt würde. So veranlasste er die Herren Gus und John Anderson dazu nach und nach mehrere 1.000 Dollar für diesen Zweck zur Verfügung zu stellen. Die Herren Lundquist und John und Charles Erickson entwickelten nach einander drei sich sehr ähnlich sehende Systeme. Das erste System ist nachfolgend abgebildet. In ihm spiegelt sich aber deutlich die Erfindung der Herrn Moise Freudenberg wieder. Ledig-lich im Antrieb selbst sind Unterschiede zu erkennen.