Dr. Heinrich von Stephan und Werner von Siemens

Erste Verwendung des Fernsprechers im öffentlichen Nachrichdienste durch den Generalpostmeister Dr. Stephan und die Verdienste Werner von Siemens um die technische Vervollkommnung des Apparates.

Bis Mitte Oktober 1877 war die Reichs-Postverwaltung hinsichtlich des Bellschen Telephons auf die Mitteilungen angewiesen gewesen, die ihr aus der ausländischen und heimischen Presse hierüber bekannt geworden waren. Über die Einzelheiten der Konstruktion des Apparates wußte sie noch nichts. Die ersten ausführlichen Nachrichten über die in Amerika angestellten Versuche und den Bau des im Laufe des Jahres 1877 praktisch verwendbar gewordenen Bell-Telephons wurden dem Generalpostamt in Berlin durch die amerikanische Fachzeitschrift "Scientific American" vom 06. Oktober 1877. Ein Brief von New York bis Berlin war damals etwa 12 Tage unterwegs. Schon am 18. Oktober 1877, also unverzüglich nach Empfang jener Zeitschrift, richtete das Generalpostamt ein Schreiben an den Elektriker der großen amerikanischen Privat-Telegraphengesellschaft Western Union Telegraph Company, Mr. George B. Prescott in New York. Das Generalpostamt nahm darin auf die seit längerer Zeit durch amerikanische und englische Zeitungen verbreitete Nachrichten von den jenseits des Ozeans in der Telephonie gemachten Fortschritten Bezug und bat um Mitteilung, ob die Western Union Gesellschaft mit dem Bell-Telephon bereits Versuche angestellt und bejahendenfalls, was sie damit erzielt habe. Gleichzeitig fragte das Generalpostamt bei Mr. Prescott an, ob es einen Satz dieser Apparate durch seine Vermittlung käuflich beziehen könnte. Mr. Prescott antwortete dem Generalpostamtunter dem 08. November 1877, dass sich seine Gesellschaft auf dem Wege der Versuche noch damit beschäftige, das Bell-Telephon, das vorerst eine Verständigung nur auf 5 bis 10 englische Meilen gestatte, weiter zu vervollkommnen.
Inzwischen war in der zweiten Hälfte des Oktober der damalige Chef des Londoner Haupt-Telegraphenamts Mr. Fischer, ein gebürtiger Hannoveraner, zur Besprechung von Telegraphen-Tariffragen von London nach Berlin gereist und hatte für Stephan, den er persönlich näher kannte, zwei jener Bell-Telephone, die der englischen Telegraphenverwaltung kurz zuvor aus Amerika zugegangen waren, mitgenommen. An demselben Tage, dem 24. Oktober 1877, an dem Mr. Fischer diese beiden Apparate Stephan überreichte, ließ dieser bereits im Generalpostamt Versuche damit anstellen. Sie gelangten; ebenso an den folgenden Tagen Versuche auf weitere Strecken, wie von  Berlin bis Schöneberg (6 km) und Potsdam (26 km). Es ergab sich, dass man auch noch bis Brandenburg (61 km) -- leidlich -- sprechen konnte. Dagegen blieb die Verständigung zwischen Berlin und Magdeburg (15 km) ungenügend. Bereits am 31. Oktober 1877 benachrichtigte das Generalpostamt die Inspektion der Militärtelegraphie in Berlin von dem Ausfall dieser Versuche und legte ihr unter Hinweis auf die hervorragende Bedeutung, die das neue Verkehrsmittel für die Heeresverwaltung haben dürfte, nahe, den weiteren Versuchen beizuwohnen. Als am 03. November 1877 die Vollendung der neu geschaffenen Telegraphenlinie Berlin - Hamburg - Kiel in Kiel gefeiert wurde, die einen der Stränge des von Stephan 1876 in Angriff genommenen großen deutschen unterirdischen Telegraphennetzes bildete, ließ Stephan in Gegenwart hervorragender Gelehrter wie Kirchhoff, Dubois Reymond und Karsten, auch in Kiel Sprechversuche vornehmen, wobei erstmalig und erfolgreich zwei von der Firma Siemens & Halske in Berlin nach dem Bellschen System angefertigte Telephone benutzt wurden.
Die erste praktische Verwendung bei der Reichspost fand das Telephon bei einer Fernsprechanlage, die am 05. November 1877 in Berlin zwischen dem Generalpostamt und dem Generaltelegraphenamt zur Einrichtung kam. Unter dem 07. November 1877 schrieb die "Nationale-Zeitung" hierüber folgendes: "Das erste Telephon ist in Berlin wirklich in Dienst gestellt, und zwar von dem Arbeitszimmer des Generalpostmeisters in der Leipziger Straße zu dem Arbeitszimmer des Direktors des Generaltelegraphenamts in der Französischen Straße. Die mündliche Verständigung auf der 2 km langen Leitung ist vollkommen. Der Generalpostmeister spricht in das auf seinem Arbeitstische befindliche Instrument, erläßt mündliche Verfügungen und Anfragen, erteilt mündliche Aufträge und erhält, ebenfalls auf mündlichem Wege, die Berichte und Antworten von dem Direktor des Generaltelegraphenamts, auf dessen Arbeitstisch sich das andere Instrument befindet. Die Verständigung erfolgt unmittelbar, als ob beide Herren sich in ein und demselben Zimmer befinden, und mit vollkommener Deutlichkeit, so dass das Ideal der Abkürzung des Geschäftsganges und der Verminderung des Schreibwerks erreicht ist."
Stephans Entschluss, das neue wunderbare Instrument der allgemeinen Nachrichtenübermittlung dienstbar zu machen, war gefaßt. Am 09. November entwarf er eigenhändig einen Bericht an den Reichskanzler Fürsten Bismark, in dem er das Wesen des Telephons und die Ergebnisse der vom Generalpostamt angestellten Sprechversuche darlegte, in großen Zügen andeutete, wie er den wenn auch "noch in der Kindheit liegenden" neuen Apparat zunächst praktisch zu verwerten beabsichtigte und dem Fernsprecher eine große Zukunft im menschlichen Verkehr voraussagte. Dieser Bericht bildet ein Kulturdokument ersten Ranges.
Kopie des Originalschreibens   Übersetzung
  Berlin, 9. November 1877.
  An Seine Durchlaucht  
  den Fürsten Reichskanzler  
            Varzin  
  Das Telephon betreffend.  
    Ew. Durchl. ist bekannt, dass die Be-
    wegung von Stahl und Eisen im Be-
    reich der Pole eines Magneten in
    einer diese Pole umgebende Draht-
    rolle einen elektrischen Strom
    - Induktionsstrom - erzeugt, dessen
    Dauer mit der Dauer der Bewe-
    gung jenes Eisens oder Stahls zu-
    sammenhängt. Spricht man gegen
    eine Stahlplatte oder eisenplatte, die
    so dünn ist, dass die menschliche
    Stimme sie in Schwingungen versetzt,
    und ist ein Magnet, von Drahtrollen
    umgeben, in der Nähe: so werden
    in diesen Rollen elektrische Schwin-
    gungen erzeugt, welche den von
    der Stimme hervorgerufenen Ton-
    wellen genau entsprechen. Die Draht-
    rollen stehen mit der gewöhnlichen
    Telegraphenleitung in Verbindung,
    und die in ihnen entstehenden Strom-
    wellen pflanzen sich durch diese
    Leitung bis zur Ankunftsstation fort.
    Auf dieser ist ein gleiches Instru-
    ment vorhanden, an dessen  dünnen
    Eisenplättchen die elektrischen Strom-
    wellen sich wiederum in Luft-
    Schwingungen, also in Töne für
    den Hörenden , verwandeln.
    Es ist ein bekannter Satz der
    Schalllehre, dass, wenn es möglich
    ist, an einem Orte eine vollkommen
    gleiche Aufeinanderfolge von Schwin-
    gungen hervorzubringen, wie
    die, welche an einem anderen
    Orte erzeugt sind, an beiden
    Orten die gleichen Töne ge-
    hört werden.
 
Auf den vorstehenden sätzen beruht die Theorie des Telephons. Es ist schon geraume Zeit her, dass man an der Umkehrung der Magnetpole auf den Schiffskompassen durch einen vorüberfahrenden Blitz auf den Gedanken eines nahen Zusammenhanges der Elektrizität und des Magnetismus gebracht wurde; über hundertneunzig Jahre sind vergangen, seit Oerstedt die Haupterscheinung des Elektromagnetismus feststellte (1819), während Ampère drei Jahre später den Magnetismus überhaupt auf die Wirkung elektrischer Schwingungen zurückführte; und gegenwärtig haben diese Forschungsergebnisse im Verein mit den schon länger bekannten Lehrsätzen der Akustik zu der Erfindung des Telephons geführt, welcher nach meiner Überzeugung noch eine große Zukunft im Bereiche des menschlichen Verkehrs bevorsteht.
Nach Meucci, Reis bemächtigten sich die Amerikaner diesen Gedankens. In der letzten Woche des Oktober 1877 begannen hier die Versuche. (Diese werden nun in dem Bericht mit ihren Ergebnissen bis zu dem Sprechversuch Berlin - Magdeburg aufgeführt.)

Der Versuch mit Magdeburg ergab noch Töne, aber keine Laute mehr, folglich keine Verständigung. Dies beweist indes nicht, dass die Verwendung der Erfindung für weitere Entfernung ausgeschlossen sei, da dieselbe noch in der Kindheit liegt, und man jedenfalls sehr bald potentere Instrumente wird herstellen können. Das jetzige gleicht in Form und Größe etwa einem mittelgroßen Fliegenschwamm; an dem Stiel fasst man an und spricht da, wo die rote Fläche ist; und ebendaselbst hört man auch; es ist kaum etwas einfacheres zu denken.
Wir haben sofort die praktische Verwendung ausgeführt; seit einigen Tagen ist zwischen dem General-Telegraphenamtsdirektor und mit ein Telephon im dienstlichen Gebrauch; wir verkehren mündlich unmittelbar von der Leipziger Straße bis zur Französischen Straße auf einer 2 km langen _Drahtleitung, machen unsere Rücksprachen auf diese Weise ab und ersparen Akten, Sekretäre und Kanzleidiener.
Weiter ist es die Absicht, Telephone auf allen denjenigen Postorten aufzustellen, an welchen noch keine Telegraphenanstalten sich befinden, und von dort die aufgegebenen Depeschen an die nächste Telegraphenstation hinüberrufen zu lassen, während bisher stets ein Bote geschickt werden mußte. Wenn diese Maßregel, welche schon in den nächsten Tagen um Berlin und um Potsdam ins Werk gesetzt werden soll, gelingt; dann würden wir, da die Kosten sehr gering sind, die Zahl der Reichs-Telegraphenämter ganz erheblich vermehren können . . . . .
                                                                                                                                           gez. Stephan."

Noch am Tage des Empfangs dieses Berichtes (10. November 1877) telegraphierte Fürst Bismark an Stephan, dass er den Inhalt mit hohem Interesse gelesen habe und dem gemachten Vorschlage entsprechend bitte, ihm in Varzin das Telephon im Betriebe vorführen zu lassen. Dies geschah am 12. November. Der Reichskanzler nahm hierbei auch persönlich Sprechversuche vor. Über die Ergebnisse äußerte er sich sehr befriedigt. Am selben Tage wurden die erste Reichspostanstalt, in Friedrichsberg bei Berlin, mit Fernsprechbetrieb ausgestattet. "Der Herr Generalpostmeister" -- schreibt Werner Siemens unterm 15. November 1877 aus Berlin an Exzellenz von Lüders in St. Petersburg -- "hat hier die Sache mit gewaltigem Eifer aufgegriffen und bereits Telephonstationen eingerichtet". Stephan beorderte darauf verschiedene höhere Telegraphenbeamte aus der Provinz nach Berlin, damit sie den neuen Apparat genau kennenlernten und in ihren Dienstbezirken weitere Versuche mit ihm anstellten. Noch in der zweiten Hälfte des November verfügte Stephan die Einrichtung des Fernsprechbetriebes bei 18 weiteren kleineren Postanstalten der Oberpostdirektionsbezirke Berlin, Potsdam, Magdeburg, Halle (Saale) und Stettin. Seine Absicht, gleich von vornherein eine größere Zahl solcher Fernsprechbetriebsstellen ins Leben zu rufen, scheiterte daran, dass die Firma Siemens & Halske die dazu erforderlichen Apparate nicht so rasch liefern konnte.
Lebhaften Anteil an dem neuen Verkehrsmittel nahm auch Kaiser Wilhelm. Auf Allerhöchsten Befehl fanden am 25. November 1877 vor dem Kaiser im Berliner Palais unter Stephans Leitung besondere Sprechversuche statt. Hierbei führte Stephan dem Kaiser auch das Urtelephon von Reis vor, das inzwischen durch die Oberpostdirektion in Frankfurt (Main) bei dem Mechaniker Albert ausfindig gemacht und am 22. November 1877 vom Generalpostamt angekauft worden war. In denselben Tagen ließ der Präsident des Preußischen Abgeordnetenhauses Rudolph von Bennigsen, nachdem er auf Einladung Stephans einer Vorführung des Telephons beigewohnt hatte, die ersten Sprechapparate im Abgeordnetenhause für dessen inneren Betrieb aufstellen. Am 17. November 1877 hielt auf Veranlassung Stephans ein höherer Beamter des Generalpostamts (Postinspektor Hoffmann) im Architektenverein in Berlin vor zahlreichen Zuhörern einen ausführlichen, mit praktischen Versuchen verbundenen Vortrag über das Telephon. Zwei Tage später bestimmte Stephan, der bekanntlich 1874 bahnbrechend mit der Ausmerzung von Fremdwörtern aus der deutschen Amtssprache vorgegangen war, dass im Bereiche der Reichs-Post- und Telegraphenverwaltung anstelle der bisher angewandten Bezeichnung "Telephon" das deutsche Wort "Fernsprecher" zu treten habe. Als Richtschnur für die Benutzung des Fernsprechers im Betriebe der damit ausgerüsteten Verkehrsanstalten erließ Stephan unterm 28. November 1877 eine durch das Amtsblatt der Reichspostverwaltung bekannt gegebenen Dienstanweisung. Damit reihte die Reichspost als erste unter den Verkehrsverwaltungen der Welt den Fernsprecher als Nachrichtenmittel in den öffentlichen Betrieb mit ein.
Hatten schon die von der Reichs-Postverwaltung zur Erprobung des Fernsprechers unternommenen einleitenden Schritte,von deren Ergebnissen die deutschen Zeitungen fortgesetzt zu berichten wußten, im In- und Auslande, insbesondere aber bei den übrigen Post- und Telegraphenverwaltungen Aufsehen erregt, so steigerte sich dies weiter, als bekannt wurde, dass die Reichs-Postverwaltung über die in Amerika noch in der Luft schwebende, anderwärts aber überhaupt noch nicht erwogene Frage der Verwendbarkeit des Fernsprechers im öffentlichen Nachrichtendienste bereits nach vierwöchiger Versuchszeit zu einer derartigen grundsätzlichen Entschließung gelangt war. Die Folge hiervon bildete ein mehr als reichlicher Briefsegen, der auf das Generalpostamt in Berlin niederging, und worin es den Behörden und Privatpersonen des In- und Auslandes mit den mannigfaltigsten Fragen und Mitteilungen bedacht wurde. Die ersten ausländischen Post- und Telegraphenverwaltungen, die das Generalpostamt in Berlin um nähere Auskunft sowie um Überlassung einiger Siemensscher Fernsprechapparate ersuchten, waren die der Schweiz (12. November), Italien (19. November) und Belgien (20. November 1877). Das Generalpostamt entsprach solchen Wünschen ohne Verzug in entgegenkommenster Weise. Von 1878 ab konnte, da nunmehr allmählich Mittel und Wege für die Massenanfertigung des Fernsprechers gefunden wurden, mit der Einrichtung von Fernmeldebetriebsstellen im Reichs-Postgebiet auf breiterer Grundlage vorgegangen werden. Ende 1878 war die Zahl dieser Verkehrsanstalten auf 287, Ende 1879 auf 788 angewachsen. Hierdurch stieg die Zahl der Reichs-Telegraphenanstalten außerordentlich rasch, so dass Stephan bei Beratung des Postetas März 1881 im Reichstage feststellen durfte, dass Deutschland (Bayern und Württemberg mit eingeschlossen) über 10.000 Telegraphenanstalten insgesamt verfügte und damit an der Spitze aller Länder der Welt stand. Denn selbst in den Vereinigten Staaten von Amerika gab es damals nur 9.000 Telegraphenanstalten, während England 5.600 und Frankreich deren 4.000 besaßen.
Die Freude, die die Bewohner all der kleinen, oft so entlegenen Ortschaften darüber empfanden, durch Zuweisung einer Telegraphenanstalt mit Fernsprechbetrieb aus der bisherigen Abgeschlossenheit vom Verkehr erlößt zu sein, war groß. Denn ohne dieses wertvolle Hilfsmittel hätten sie meist auf absehbare Zeit in den alten Verhältnissen weiter verharren müssen. Deshalb fühlten sie sich Stephan gegenüber zu aufrichtigem Dank verpflichtet und gaben dem zumeist in dem ersten Telegramm, das die neugeschaffene Telegraphenbauanstalt verließ, Ausdruck. Natürlich ist diese Übung wieder eingeschlafen, wenn sie sich auch bis zu Stephans Tod (1897) -- er starb bekanntlich in den Sielen -- erhalten hatte. Denn da er der Vater dieser großen Verkehrsverbesserung gewesen war, galt jene oft "sinnige" Drahtung in erster Linie ihm selbst. Mit dem Wegfall dieses persönlichen Moments kam man in die Gewohnheit hinein, die bekanntlich alles abschleift; erst hatten die Planeten Götternamen, jetzt tragen sie Nummern. Um so urwüchsiger wird vielleicht die eine oder andere nachstehenden Proben solcher Dankestelegramme auf den Leser wirken, wie sie sich in den schon halb vergilbten Akten jener Zeit noch hier und da erhalten haben.
"Der Ort, von dem einst Seumes Fuß

Den Weg begann nach Syrakus,
Sagt heute Herzensdsank und Gruß
Dir, der uns schenkte den Genuß
Des Telephons, Stephanus!
  "Weil heut empor zum Felsengrab,
Wo Knieholzbüsche spriesen,
Geleitet ist der Wunderdraht,
Darin die Töne fließen,
Schickt seinen Dank als erstes Wort,
Dem Generalpostmeister
Der höchste deutsche Fernsprechort;
Prinz-Heinrich-Bande heißt er."

"Was wir ersehnt und heiß und lange,
Wir sehen´s jetzt an jeder Stange,
Ein Fernsprechdraht zieht hoch sich hin
Durch unser Dorf zur Stadt Templin,
O nimm, du großer Raumbezwinger,
Den innigen Dank der Hammelspringer.
Platzmann aus Hohenstädt (Sachsen)."  
   
"Wenn in Polackiens wilden Klippen
Man hört den Telegraphen tippen,
Dann glaubt man die Erlösung nah.
Denn hier in diesen düstern Gründen,
Wo selten nur ist Licht zu finden,
Tut so was not, glaub´s mir, ach ja!
Drum sei dir, Stephan, Blitzesspender,
Gebracht der schönste Dankesgruß
Von einem braven Hinterländer,
Dem Bolewitzer Pächter Fuß."

"Das erste Wort auf dem neuen Daraht
Sei Dank dem, der ihn errichtet hat.
 
 
 
  Schibeck, Pfarrer."
   
  "Wi sungen mit een Huelfstae an und hebt von huet
an Agentur. Wi degdt vael Dank di, grode Mann,
bi di geiht allens na die Snur.
 
 
Antenser Bürger."
   
Tohn, Rittergutsbesitzer und Amtsvorsteher."    
 
Stephan unterließ nie, Zug um Zug telegraphiosch zu danken. Wie dies geschah, dafür mögen noch die folgenden zwei Beispiele sprechen:
"Exzellenz Stephan, Berlin
Du hast ein Telephon errichtet in der Gemeinde Tuice, und mich zu großem Dank verpflichtet
des Dorfes Schulze."
 
Stephans Antwort:
Es bringe frohe Botschaft oft nach Tuleen. Das Telephon für die Gemeinde und den Schulzen."
 
 
"Generalpostmeister Stephan, Berlin.
Exzellenz haben zur Erfüllung der vom König David in Psalm 19, Vers 3 und 4 mit Bezug auf den Telegraphen ausgesprochenen Prophezeihung wesentlich beigetragen. Gelegentlich der Eröffnung unserer Station erlauben wir uns diese Bemerkung und unsern Dank für die Aufnahme unsrer Stadt in das Telegraphennetz.
Die Stadtbehörde Raschkow."
 
Stephans Antwort:
"Ich danke Ihnen für Ihren telegraphischen Gruß und erwidere ihn mit Psalm zweiundneunzig, Vers drei und sechs.
                              Vers 3: Des Morgens deine Gnade / und des Nachts deine Wahrheit verkündigen.
                              Vers 6: Herr, wie sind deine Werke so groß! / Deine Gedanken sind sehr tief.
Dr. Stephan."
 
Die unter Mitbenutzung des Fernsprechers lebhaft beschleunigte Verästelung des heimischen Telegraphennetzes kam in erster Linie dem telegraphischen Nahverkehr zugute. Bis 1877 hatte dieser dauernd darunter zu leiden, dass Telegraphenanstalten auf kurze Strecken, die mit den üblichen Telegraphierapparaten betrieben wurden, unverhältnismäßig kostspielig waren, zumal ihre Bedienung besonders dazu vorgebildetes Personal erforderte. Infolgedessen hatten die Telegraphierlinien überwiegend nur zur Überbrückung großer Entfernungen und zur Verbindung verkehrsreicher Orte dienen können. Nunmehr bot der Fernsprecher ein ebenso einfaches wie geldlich vorteilhaftes Mittel, um die bestehende Ungleichheit zu beseitigen und auch benachbarten und kleinen Orten die Vorteile des Anschlusses an das allgemeine Telegraphennetz zu gewähren. Von besonderer Bedeutung wurde dieser Fortschritt für das flache Land, wo sich der Telegraph bis dahin nur in beschränktem Umfange hatte benutzen lassen, weil vielfach die zur Auflieferung und Bestellung der Telegramme zurückzulegenden weiten Wege und der damit verknüpfte große Zeitaufwand in keinem richtigen Verhältnis zu der kurzen Zeitspanne standen, die die Telegraphische Beförderung der Nachricht erforderte. So schuf sich Stephan durch die von ihm mit Hilfe des Fernsprechers erschlossene Möglichkeit, zahllose kleinere und kleinste Orte des Reichs mit einer Telegraphenanstalt auszustatten, ein hohes Verdienst um das deutsche Verkehrswesen und die Wohlfahrt des Vaterlandes. Bewunderung verdienen dabei der Scharfblick, die Initiative und der rastlose Drang nach vorwärts, die Stephan auf diesem neuen Gebiete von dem Augenblick an entwickelt hat, wo er zum ersten Male einen Bell-Fernsprecher in die Hand bekam. Schlag auf Schlag folgte ein Versuch und ein Entschluss dem anderen, bis in denkbar kürzester Frist das erreicht war, was vorerst überhaupt erreicht werden konnte. Bedenken und zeitfressende Erwägungen, die so oft bei der Verwirklichung großzügiger Ideen auftauchen und eine Rolle spielen, gab es hier nicht. Deshalb bildeten auch die dem eben erst in die Praxis übernommenen Fernsprecher noch anhaftenden, nícht geringen Unvollkommenheiten für Stephan keinen Grund, die Durchführung seines Planes so lange auszusetzen, bis es der erst ins Leben tretenden Fernsprechtechnik möglich geworden war, weitere Verbesserungen zu schaffen. Im März 1878 gelang dies Werner Siemens hinsichtlich der Reichweite. Die Bedeutung dieser deutschen Vervollkommnung rechtfertigt es, hier etwas auf sie einzugehen.
 
Der Grad er Anziehung der Eisenmembrane durch den im Fernsprech-Gehäuse befindlichen Maasse und Form der Membrane ab. Das endgültige Bgneten hängt von der Mellsche Telephon von 1877 enthielt, wie wir gesehen haben, einen Stabmagneten.
Als Werner Siemens Ausgang Oktober 1877 erstmalig in den Besitz eines Bell–Apparates gekommen war, nahm er zunächst dessen Massen-Erzeugung in Deutschland auf (woran ihn nichts hinderte, da Bell es versäumt hatte, sein Telephon in Deutschland durch in Patent schützen zu lassen. Dabei verkaufte Siemens das Stück für 5 Mark, während Bell es sich mit 25 £ bezahlen ließ). Siemens fand nun sehr bald heraus, wie er Bells Konstruktion in mehrfacher Hinsicht wesentlich vervollkommen konnte. Bereits am 30. Oktober 1877 schreibt er seinem Bruder Karl nach London: „Ich habe auch schon Verbesserungen in Arbeit, von denen ich mir viel verspreche.“ Am 21. Januar 1878 trägt er der Berliner Akademie der Wissenschaften seine Pläne hierüber vor. Die wichtigste der von ihm demnächst vorgenommenen Änderungen bestand darin, dass er den Bellschen Stabmagneten durch einen Magneten in Hufeisenform ersetzte. Dies hatte zur Folge, dass sich die Anziehungskraft des Magneten verstärkte, und dass nunmehr auch stärkere Ströme in den Drahtumwindungen der beiden Polenden induziert wurden.
Erstes Telefon von
Werner Siemens
Um die Wirkung des Ankers, der Schallplatte, noch weiter zu steigern, versah Siemens die beiden Polenden mit rechwinkelig geformten Poschuhen dergestalt, dass ihre Polflächen aneinander möglichst nahestanden. Die Schallplatte rief nunmehr beim Schwingen so kräftige Induktionsströme in den Drahtumwindungen hervor, dass die Stimme ungleich lauter und deutlicher übertragen wurde und infolgedessen erheblich größere Entfernungen als bisher zu überwinden vermochte. War ferner zum Anrufen der anderen Fernsprechbetriebstelle bis dahin eine besondere Weckvorrichtung mit eigener elektrischer Batterie nötig gewesen, die das Apparatsystem naturgemäß erschwerte, so ersetzte. Werner Siemens diesen Aushilfsapparat jetzt durch eine Zungenpfeife, in die der anrufende Beamte hineinblies. Es sei hierbei daran erinnert, dass auch der von dem Amerikaner Samuel Morse erfundene Telegraph, der bekannte Morseapparat, der in Preußen erstmalig 1849 auf den beiden ersten deutschen Telegraphenlinien Berlin – Frankfurt (Main) und Berlin – Cöln – Aachen benutzt wurde, durch die damals eben gegründete Firma Siemens & Halske in Berlin seine richtige mechanische Form erhalten hat. So sehen wir, wie Werner Siemens von dem ersten Tage an, wo Stephan die Einführung des Fernsprechers in den Verkehr in Angriff nahm, fortgesetzt bemüht gewesen ist, den jungen Apparat weiter zu verbessern. Dies gelang ihm so erfolgreich, dass der Siemens – Fernsprecher in Deutschland unter den sonst inzwischen erbauten bald als der beste galt, jedenfalls als Empfänger. 
 Verbesserter Fernsprecher 
Dezember 1877
Die dem Apparat als Geber noch anhaftende begrenzte Verwendbarkeit wurde später mit Hilfe des „Mikrophons“ beseitigt, das selbst die schwächsten Töne deutlich überträgt und dadurch den Fernsprecher auch für weite Entfernungen benutzbar macht.
Bei dem Mikrophon sind mehrere Kohlenstäbchen untereinander und mit der Sprechplatte so in Verbindung gebracht, dass sich ihr gegenseitiger Druck verändert, sobald die Sprechplatte in Schwingungen kommt. Dies hat wieder Änderungen im Leitungswiderstand und damit in der Stärke des Batteriestromes zur Folge, in den diese Kohlenstäbchen eingeschaltet sind. Der Grundgedanke des Mikrophons ist somit der gleiche wie der des Gebers des Reisschen Telephons. Tatsächlich ist auch der amerikanische Professor Hughes, der zuerst, 1878, ein Kohlenmikrophon konstruiert hat, bei seinen in der Studierstube gemachten Versuchen von dem deutschen Reis – Apparat ausgegangen. Für den praktischen Gebrauch war das Mikrophon von Hughes wegen seiner technisch noch nicht durchgearbeiteten Bauart nicht geeignet. Gerade die Leistungsfähigkeit dieses Apparates hängt sehr davon ab, wie seine wirksamen Teile angeordnet und ausgeführt sind. Bei der Reichspost wurde das Mikrophon als Ersatz für den Siemensschen Geber 1881, wenn auch zunächst in beschränktem Umfange, in den Betrieb eingeführt, nachdem längere Versuche mit inzwischen immer wieder verbesserten Apparaten vorangegangen waren. Ein allen Anforderungen entsprechendes Mikrophon, das dann auch unbeschränkte Verwendung fand, besitzt die Reichs – Postverwaltung seit 1887.
 
Erstes Rundschreiben von Siemens und Halske ueber das Telephon - November 1877
 
Da erste Rundschreiben von Siemens & Halske über das Telephon vom November 1877
 
Übersetzung des Textes:

Über das „Telephon“ erhalten wir so viele Anfragen des verschiedensten Inhaltes, dass uns die Beantwortung jeder einzelnen unmöglich ist und wir uns darauf beschränken müssen, durch Nachstehendes einige allgemeine Erläuterungen darüber zu geben.
Zur Korrespondenz mittels Telephon gehören 2 Apparate, wie oben in etwa 1/5 natürlicher Größe durch T & T1 dargestellt sind, sowie eine Doppellleitung L zur Verbindung derselben. Galvanische Batterien sind zur Ingangsetzung der Telephone nicht erforderlich.
Man hört - wenn auch nur schwach - an dem einen Apparat, wenn an dem anderen gesprochen wird, doch muss das Ohr dicht an den Apparat angelegt werden, und ist daher das Telephon zum direkten Anruf - wie mittels Glocken des bekannten Gaußtelegraphen - nicht verwendbar.
Wir fertigen für jetzt nur diese Art Telephone Bellscher Konstruktion und dazu für kurze Entfernungen den in untenstehender Preisliste angeführten, aus zwei isolierten Kupferdrähten bestehenden Doppeldraht, wir können aber nur diese Lieferung, nicht aber auch die Herstellung telegraphischer Einrichtungen für häusliche Zwecke übernehmen. Ein jeder mit Anlagen von Gaußtelegraphen vertrauter Arbeiter wird übrigens im Stande sein, den Doppeldraht durch die Zimmer gg. zu führen und zu befestigen.
Wo es sich um telegraphische Korrespondenz auf größere Entfernung handelt, empfiehlt sich die Anwendung von einadrigem Untergrund-Kabel, dessen äußere metallische Umhüllung als die zweite, respektive: Rückleitung verwendbar ist.
Zu einer derartigen Anlage sind noch besondere Apparate, wie Taster, Wecker und Batterie zum Anruf erforderlich, zu deren Verbindung dasselbe Kabel benützt werden kann.
Einadriges Kabel berechnen wir pro Meter bar Berlin mit 80 Reichspfennigen, im Übrigen müssen wir uns vorbehalten, für derartige größere telegraphischen Anlagen besondere Kostenanschläge aufzustellen, zu welchem Zwecke wir um gefällige Angabe der Entfernung zwischen den telephonisch zu verbindenden Stationen sowie um etwa sonst noch zu berücksichtige Verhältnisse ersuchen.
Gegen vorherige Bareinsendung oder Nachnahme liefern wir:
  a.   1 Paar Telephone T & T1 - - - - - - - - - - - für Reichsmark 10 ,---        
  b.   25 Meter Doppeldraht  L - - - - - - - - - - - " " 1 ,25        
  c.   Verpackung für a & b - - - - - - - - - - - " " - ,25        
  d.   Versendungsporto für Deutschland - - - - - - - - " " - ,50        
                 
                      Sum. Reichsmark 12 ,---        
Berlin SW.
Datum des Poststempels
Siemens & Halske
 
 
Oskar Grosse, 40 Jahre Fernsprecher in Deutschland
Dinglers Polytechnisches Journal
Elektrotechnische Zeitschrift
Fotos:  Reichspostmuseum und Deutsches Telefon-Museum
Rund um den Fernsprecher