Die letzte Fahrt einer Postkutsche von Birkenfeld nach Morbach 1903.

Einst kam für die Postkutsche der letzte Tag. Es war, als ob es die Pferde ahnten, dass man Ross und Wagen im Städtchen Birkenfeld nicht mehr sehen sollte. Wie traurig zogen sie ihren Weg, den altgewohnten. Schwarz-weiße und blau-rote Fähnchen flatterten an dem Wagen. Es von einem Sterben in Schönheit!
Die gute Frau „Hepp”, die so lange Zeit die Zunft der Postillone hier in Birkenfeld trefflich verpflegte, den Pferden im Stall ein Obdach geboten hatte, und die da jeden „Schwager” so gut kannte und an ihrem Schicksal immer innigsten Anteil nahm, sie weinte bittere Tränen, als sie der Postkutsche auf ihrer letzten Fahrt nachschaute. Die Jahre vergingen. Man hatte manches mal die Post benutzen müssen, als man hoch oben im stillen, weltabgelegenen Hunsrückdorf amtierte. Der Kinderglauben an die Wonne der Postkutschenfahrten geriet da mitunter doch stark ins Wanken. Holprige Wege, schmerzhafte Glieder, betrunkene Gäste, muffige Luft. Und das rote Plüschpolster, auch wenn es noch neu und nicht zerrissen war, auch wenn die Sonne einem nicht die vielen darauf liegenden Staubwölkchen zeigte, schien einem im Zeitalter verfeinerten Kultur, der Bazillenfurcht und der Hygiene nicht mehr ganz so begehrenswert, wie in der schwärmerischen Postkutschenzeit. Man erfreute sich damals am gemütlichen Fahren in der Frühe des kühlen Morgens oder am finsteren Abend, am vertrauten Geplauder mit dem Postillon, dem wetterharten, vielerfahrenen Mann. 
Wie entzückend muss das Bild gewesen sein, wenn man bei Wanderungen von den Höhen aus den gelben Wagen langsam das stille Tal hinauf schlängeln sah, der grüne Wald, die mächtigen Halden von blauem Schiefergestein, darüber der strahlende blaue Himmel! Wie prächtig hob sich da der schmucke gelbe Wagen ab! Und in all die wunderliche Farbenpracht klang des Postillons schelmisches, neckisches oder wehmütig klagendes Lied. 

Es war alles anders geworden! Nun rasten Autos über die Berge und durch die Täler. Droben aber im Hunsrückstädtchen wurden, wie die Lokalblätter meldeten, Postwagen und Zugpferde öffentlich und meistbietend versteigert.

Die letzte Birkenfelder Postkutsche auf dem Kurs Birkenfeld - Morbach im Jahre 1903

Die nach 1880 beginnende Industrialisierung in unserem Gebiet führte zwangsläufig zu vermehrten wechselseitigen Beziehungen zwischen der ländlichen- und der städtischen Bevölkerung. Brief- und Paketwesen nahmen zu. Da die Landbriefträger bis jetzt zu Fuß die Post zu den im Amtsbereich liegenden Gemeinden beförderten mußten in Birkenfeld eintreffende schwerere Pakete meist vom Empfänger selbst abgeholt werden. Zur Verbesserung der Situation wurden zunächst in den Orten Brücken, Hoppstädten und Neubrücke Postagenturen eingerichtet. Die Postagenturen hatten die gleichen Leistungen und Obliegenheiten wie das Postamt Birkenfeld zu erfüllen, dem sie unterstanden. Sie wurden von Ortseinwohnern nebenberuflich geleitet. 
Eine wesentliche Verbesserung der Landversorgung brachte die Ausrüstung der Landbriefträger mit Fuhrwerken. Dabei handelte es sich in der Regel um von der Post beschaffte, einspännig zu fahrende Wagen. Der Landbriefträger hatte das Pferd zu stellen und war für dessen Unterhaltung zuständig. Dem Fahrer einer solchen „Kariolpost” standen als Vergütung für die Gestellung des Pferdes die Einnahmen für die gelegentliche Mitnahme einer Person auf dem Kutschbock zu. Die Gebühren für Gepäckstücke mussten an die Postkasse abgeführt werden. 
Der wohl bekannteste Birkenfelder Zusteller war der Landbriefträger „Dümmler”. Vom Volksmund überliefert ist die folgende Geschichte vom ehemaligen Wassermeister Hauth:
„Dümmler fuhr mit einem alten Schimmel eine Kariolpost über Brücken, Abentheuer und Buhlenberg. Sein Pferd war kein Rassepferd und schon sehr alt. Im Schritt ging es noch leidlich, von den übrigen Gangarten jedoch wollte der Gaul nichts mehr wissen. Als nun Dümmler einmal beim Postamt vorfuhr, arbeiteten dort die Gemeindearbeiter am Bahnhofsvorplatz. Es waren dies Warthepfuhls Pitt und dessen Bruder Lui, Weis-Weis Jäb und Weiß-Weiß Julius. Der Älteste der Männer sagte zu Dümmler: „Her emol, Dimmla, die Goal wird awa alt. Schafft auch doch e anna Perd an, der lo alt Kleppa packt de Waan nemme!” Da die Arbeiter auch nicht mehr die jüngsten waren und man in jenen Jahren von ihrer Arbeitsfreudigkeit nicht mehr recht überzeugt war, im Volksmund nannte man sie Gemeindefaulenzer, erwiderte Dümmler schlagfertig: „Ei, aich hann schon met dem Schöffe geschwätzt; der Goal kemmt bei die Gemein”. 
Aber auch der damalige Postamts-Vorsteher, Postmeister Melchior, war von der Redlichkeit des Herrn Dümmler nicht überzeugt, konnte ihm jedoch nichts nachteiliges nachweisen. Dennoch sagte er einmal zu Dümmler: „Dümmler, Dein Postwagen hat 5 Räder, vier laufen für Dich und nur das fünfte für die Post” - gemeint waren die Abrechnungen mit der Post.


Die Kariolpost Birkenfeld - Hüttgeswasen, aufgenommen in Rinzenberg im Jahre 1912