Der Münzfernsprecher 1899 mit Kohlenkörnermikrofon von  R. Stock
 
 
                                       
Allgemeines:
Um dem Publikum in erweitertem Umfang bequeme und billige Gelegenheit zur Benutzung des Fernsprechers geben zu können, war die Deutsche Reichs-Telegrafenverwaltung nach dem Vorgang in anderen Ländern dazu übergegangen, Fernsprechautomaten aufzustellen, welche als selbsttätige öffentliche Fernsprechstellen dienten und es dem Benutzer ermöglichten, ohne Inanspruchnahme eines Beamten mit der Ortsvermittlungsstelle in Verbindung zu treten.
Die Apparate, von denen weiter oben eine Ansicht von vorne und eine solche mit abgenommener Vorderwand zu sehen ist, wurden nach den Angaben des Reichs-Postamts von der Firma Stock & Co. in solider und dabei doch gefälliger Form ausgeführt.
Verbreitung in Berlin:
Zur Anstellung eines Versuchs in größerem Umfange wurden zunächst in Berlin 100 Apparate an passenden, unter Aufsicht stehenden Orten  - in den Schaltervorräumen von Post- und Telegrafenanstalten, in Gastwirtschaften, Konditoreien, Zigarrenhandlungen usw. - aufgestellt und am 05. Juni 1899 in Betrieb gesetzt. Es war beabsichtigt, die Automatenstellen in absehbarer Zeit zu vermehren und insbesondere solche auch auf Vorplätzen der Berliner Bahnhöfe einzurichten, um dem reisenden Publikum die Benutzung der Stadtfernsprecheinrichtung zu ermöglichen. Die Ausdehnung des Automatenbetriebs auf eine Reihe anderer grosser Städte wurde in Aussicht genommen.
Der Fernsprechautomat war den übrigen in den Stadt-Fernsprecheinrichtungen benutzten Fernsprechapparaten, soweit tunlich, angepasst und in seiner Handhabung einfach und bequem für das Publikum eingerichtet worden.
Der Anruf der Vermittlungsanstalt erfolgte automatisch beim Abheben des Hörers vom Haken des Gehäuses, das Anrufen des verlangten Teilnehmers wurde ohne Mitwirkung der Automatenstelle durch die Vermittlungsanstalt besorgt. Die Entrichtung der Gebühr für ein Gespräch erfolgte nicht, wie bei anderen selbsttätigen Apparaten, vor der Ingebrauchnahme des Apparates, sondern erst dann, wenn ein Gespräch wirklich zu Stande kam, d. h., wenn die Verbindung mit der gewünschten Sprechstelle hergestellt wurde, der Teilnehmer sich gemeldet hatte und die Verbindung sich als betriebsfähig erwies. Die Dauer der Verbindung war nicht abhängig von dem Gang eines Uhrwerks, die Verbindung blieb vielmehr solange bestehen, bis sie von der Vermittlungsanstalt aufgehoben wurde.
Der Apparat ermöglichte ferner die Entrichtung verschieden hoher Gebühren - in einer bestimmten Münzeinheit -, also auch die Verwendung für verschiedene Arten des Fernsprechverkehrs. Die bei den meisten Automaten benutzte stromleitende Eigenschaft der Geldstücke für die Herstellung elektrischer Verbindungen innerhalb solcher Apparate wurde vermieden, wodurch die Betriebssicherheit erheblich gesteigert wurde. Die Kontrolle über die Entrichtung der Gebühren geschah durch die Vermittlungsanstalt und ließ sich auch während eines Gesprächs am Apparat selbst ausführen. Dadurch, dass die Haupttätigkeit bei der Herstellung der Sprechverbindung für die Automatenstelle der Vermittlungsanstalt zugewiesen wurde, hatte es sich ermöglichen lassen, einen Apparat herzustellen, der bei einfacher Einrichtung zuverlässig arbeitete und zu einem billigen Preis geliefert werden konnte.
Eigenschaften des Fernsprech-Automaten:
Der Fernsprechautomat entsprach in seiner Einrichtung einem gewöhnlichen Fernsprechgehäuse für Entstellen, wie sie für die Teilnehmerstellen in den Stadt-Fernsprecheinrichtungen im Gebrauch waren, jedoch mit der Abweichung, dass die Weckvorrichtung fortgelassen wurde, die Anrufseinrichtung vereinfacht (ohne Induktor) und eine Vorrichtung zur Vereinnahmung der Geldstücke neu hinzukam.
Der Wecker war entbehrlich, weil die Automatenstellen von anderen Stellen aus nicht angerufen, sondern nur zu Gesprächen nach anderen Stellen benutzt werden sollten. Zum Anruf der Vermittlungsanstalt diente eine für sämtliche selbsttätige Sprechstellen gemeinsame, bei der Vermittlungsanstalt aufgestellte Zentralbatterie, welche in Tätigkeit trat, sobald der Fernhörer von dem beweglichen Haken des Apparats abgehoben wurde. Solange der Hörer aufgehängt war, fand die Leitung im Apparat keine Erde, weil der Hebel H an dem isolierten Kontakt a lag. Wurde aber der Hörer abgehoben, legte sich der Hebel H an den Kontakt b und schloss dadurch den Klappenstromkreis: - die Klappe der Vermittlungsanstalt wurde zum Fallen gebracht.
Die Anschlussarten:
Die Automaten wurden zunächst mittels einfacher Leitungen an die zugehörigen Vermittlungsanstalten angeschlossen; sie ließen sich jedoch, wie auf der Stromlaufzeichnung untgen zu sehen ist, auch ohne Weiteres für Doppelleitungen verwenden. Bei den Vermittlungsanstalten waren die Einzelleitungen auf Vielfachumschalter gelegt. Wenn der die letzteren bedienende Beamte sich zum Sprechen mit der Automatenstelle verband, wurde die Zentralbatterie ausgeschaltet. Als Anrufbatterie dienten 6 bis 8 Sammlerzellen, als Mikrofonbatterie wurden für jede selbsttätige Fernsprechstelle 2 hintereinander geschaltete Gassner`sche Trockenelemente verwendet.
Die Kassiervorrichtung:
Für die Entrichtung der Gesprächsgebühren wurde eine besondere Kassiervorrichtung in den Apparat eingesetzt, welche aus einem Einwurf, einer Laufbahn für das eingeworfene Geldstück, einer Kontrollvorrichtung zur Prüfung der richtigen Zahlung der Gebühren und einem verschließbaren Kästchen zur Aufnahme der kassierten Geldstücke bestand.
Die Einwurföffnung befand sich seitlich unterhalb des Mikrofons in der Vorderwand des Apparatgehäuses und war, solange der Fernhörer aufgehängt war, durch einen Metallstift verschlossen. Der im Gehäuse liegende Arm des Hebels H ist so weit verlängert, dass er einem unter der Einwurföffnung liegende Messingstift als Auflage dienen konnte. Auf das untere Ende des Stiftes ist ein Plättchen aus Knochen aufgesetzt, um eine metallische Verbindung desselben mit dem Hebel zu verhüten. Bei eingehängtem Fernhörer hebt der Hebel H den Stift so hoch, dass er hinter dem Einwurfschlitz liegt und das Einwerfen eines Geldstücks in den Schlitz verhindert. Beim Abheben des Hörers wird der Stift losgelassen, er fällt nach unten und gibt die Einwurföffnung frei.
Der Apparat war für den Einwurf von Zehnpfennigstücken eingerichtet.
Ein durch den Schlitz eingeworfenes Geldstück gelangt in eine Laufbahn, welche das Geldstück einer Kontaktvorrichtung C zuführt, wo es zwischen den federnden Hebel h und das hintere Ende des Hebels H der Ein- und Ausschaltevorrichtung geklemmt wird. Die Laufbahn besteht aus zwei getrennten Teilen, deren jeder aus zwei durch ein Ebonitstück getrennte Messingschienen zusammengesetzt ist. Beide Schienen sind an den Mikrofonstromkreis angeschlossen.
Gleitet ein Geldstück über die Laufbahn, so stellt es eine Verbindung zwischen beiden Schienen und hierdurch einen Nebenschluss zum Mikrofon her. Da die Berührung zwischen dem Geldstück und den Schienen nicht immer eine innige, z. T. eine springende ist, so entstehen im Mikrofonstromkreis starke Schwankungen, die in der sekundären Umwindung der Mikrofoninduktionsrolle kräftige Induktionsströme und dadurch in den Hörern ein starkes surrendes Geräusch erzeugen. Dieses Geräusch hält an, solange das Geldstück über die Laufbahn gleitet. Beim Übergang von einem Teil der Laufbahn auf den zweiten Teil wird das Geräusch unterbrochen. Der Beamte der Vermittlungsanstalt war daher in der Lage, den Fall des Geldstücks genau zu kontrollieren. Sobald das Geldstück die Laufbahn verlassen hat und sich zwischen den Hebel H und das löffelförmige Ende des federnden Hebels h legt, hebt es durch sein Eigengewicht den letztgenannten Hebel von dem Kontakt c ab und legt ihn gegen den Kontakt d. Hierdurch wurde ein Element der Mikrofonspeisebatterie abgezweigt und mit der Leitung verbunden. Vom Vermittlungsamt ließ sich nunmehr an den Vielfachumschaltern mittels einer Kontrollvorrichtung auch noch auf elektrischem Wege prüfen, ob das sogenannte Kontrollelement eingeschaltet, also ein Geldstück in den Apparat eingelegt war. Diese Kontrolle war für den Fall zweckmäßig, dass der Beamte des Vermittlungsamts das Einwerfen des Geldstücks ausnahmsweise überhört haben sollte.
Vor der Kontaktvorrichtung ist eine Glasscheibe im Apparategehäuse angebracht, durch welche das Geldstück sichtbar bleibt, solange es von der Kontaktvorrichtung festgehalten wird. Es lässt sich also jederzeit auch während des Gesprächs prüfen, ob ein vorschriftsmäßiges Geldstück verwendet worden ist.
Die endgültige Vereinnahmung des Geldstücks geschieht beim Wiederanhängen des Fernhörers. Sobald nämlich beim Anhängen des Hörers das Ende des Hebels H in die Höhe gezogen wird, wird das Zehnpfennigstück frei und fällt durch einen Schlitz in ein Blechkästchen. Die Feder h verlässt gleichzeitig den Kontakt d und legt sich wieder an den Kontakt c an. Zu jedem Apparat gehören zwei Blechkästchen. Das in den Apparat eingesetzte, durch eine Bleiplombe verschlossene Kästchen wurde in angemessenen Zeiträumen durch Beamte der Vermittlungsanstalt gegen das zweite in gleicher Weise verschlossene Kästchen ausgewechselt.
Geldstücke von geringerem Umfang als demjenigen eines Zehnpfennigstückes werden von der Laufbahn nicht festgehalten, sondern fallen von der Einwurföffnung aus unmittelbar in einen Hohlraum zwischen der Laufbahn und der Gehäusewand und gelangen durch einen in der rechten Wandseite angebrachten Schlitz aus dem Apparat.
Die Benutzung der Automatenstellen war sowohl im Ortsfernsprechverkehr ohne Rücksicht auf die Zahl der bei der Ausführung der gewünschten Verbindungen beteiligten Vermittlungsanstalten als auch im Sprechverkehr mit den Vororten Berlins zugelassen. Über diese Grenzen hinaus - für den interurbanen Verkehr - sollten die selbsttätigen Fernsprechstellen nicht Verwendung finden. Die Gebühr für ein einfaches Gespräch bis zur Dauer von drei Minuten war im Ortsverkehr auf 10 Pfennig, im Vorortsverkehr auf 20 Pfennig festgesetzt. Die Gebühr von 20 Pfennig wurde durch Einwerfen von zwei Zehnpfennigstücken in den Apparat entrichtet.
Es war gestattet, in unmittelbarem Anschluss an ein abgewickeltes Gespräch den Apparat zu einem neuen Gespräch zu benutzen. Sobald vom Vermittlungsamt hiervon nach Schluss des ersten Gesprächs Mitteilung gemacht wurde, forderte dasselbe auf, den Fernhörer für einen Augenblick an den aus der linksseitigen Gehäusewand hervorragenden Haken zu hängen (um den Betrag für das erste Gespräch zu vereinnahmen) und dann den für das neue Gespräch erforderlichen Betrag in den Apparat einzuwerfen.
Über die von anderen Fernsprechapparaten abweichende Benutzungsart der selbsttätigen Fernsprechstellen gab die an der Vorderwand des Gehäuses zwischen Mikrofon und Schreibplatte angebrachte Anweisung Auskunft, welche neben den Gebührensätzen eine Angabe über die zum Sprechverkehr der Stelle zugelassenen Vororte enthielt.
Der Betriebsablauf:
Der Betrieb bei einer selbsttätigen Fernsprechstelle wickelte sich in folgender Weise ab: Nachdem der Benutzer durch Abheben des Fernhörers die Vermittlungsanstalt gerufen hatte, verband letztere sich mit der Sprechstelle, nahm die Gesprächsanmeldung entgegen und rief den verlangten Teilnehmer an den Apparat, gleich ob sich die Sprechstelle desselben in Berlin oder in einem Vorort befand. War der Teilnehmer zum Gespräch bereit, so forderte das Amt die Automatenstelle, deren Benutzer den Hörer während dieser ganzen Zeit am Ohr behalten musste, zur Entrichtung der Gesprächsgebühr auf, prüfte die Vereinnahmung der Gebühr, stellte alsdann die gewünschte Verbindung endgültig her und schaltete sich danach aus der Leitung aus, nachdem wurde, dass das Gespräch eingeleitet wurde. Die Kontrolle des Betriebs in der Verbindung und die Aufhebung derselben nach beendetem Gespräch geschah in derselben Weise, wie beim gewöhnlichen Betrieb in einer Städt-Fernsprecheinrichtung. Die Berechnung der Dauer eines Gesprächs begann von dem Augenblick ab, wo das Gespräch eingeleitet war, nicht von dem Augenblick der Anmeldung ab. Es war also in weitestgehender Weise Vorsorge getroffen, dass die Gebühr nur für ein wirklich zustande gekommenes Gespräch entrichtet werden musste.
Auffinden der Fernsprechautomaten:
Um dem Publikum das Auffinden der Automatenstellen zu erleichtern, waren an den Aussenseiten der in Frage kommenden Gebäude emaillierte Fahnenschilder von 75 x 28 cm Größe in schmiedeeiserner Umrahmung von blauer Farbe mit der Aufschrift „Fernsprech-Automat“ in schwarzen Buchstaben auf weißem Untergrund, aber mit roten Anfangsbuchstaben angebracht.
Denjenigen Privatpersonen, in deren Geschäftsräumen automatische Fernsprechstellen untergebracht waren, wurde zur Pflicht gemacht, jedem, der den Apparat zu benutzen beabsichtigte, Zutritt zu ihren Geschäftsräumen zu gestatten, ohne Gegenleistungen dafür in Anspruch nehmen zu dürfen.
Seit ihrer Inbetriebsetzung erfreuten sich die Automaten einer regen Benutzung. Sie hatten sich in ihrer Einrichtung bewährt und in allen Fällen einen sicheren Betrieb gewährleistet. Da bei ihrer weiteren Verwendung gleichgünstige Erfahrungen gemacht wurden, stand zu erwarten, dass die Apparate zum Nutzen der kleineren Geschäftsleute, welche ein eigener Stadtfernsprechanschluss zu teuer war, in grösserem Umfang nicht nur in Berlin, sondern auch in anderen Städten Verwendung gefunden haben.
Schaltplan des Fernsprechautomaten von Stock - 1899
Die Funktionsweise:
Solange der Fernhörer am Haken hängt, ist die Leitung  L zum Amt isoliert; wwird nun derselbe abgenommen, so wird der Kontakt b geschlossen und hierdurch die genannte Leitung über b, Feder F, Kontakt c (die Feder liegt an diesem Kontakt an) und Blitzableiter B mit der Erde E verbunden. Nachdem diese Erdverbindung hergestellt ist, sendet eine im Amt aufgestellte Batterie Strom in die Leitung L, und die Rufklappe fällt. Der Beamte schaltet nun seinen Sprechapparat in die Leitung ein und erfährt vom Anrufenden die Nummer des gewünschten Teilnehmers. Ist derselbe frei, so fordert der Beamte die Person am Automat zur Entrichtung der Gebühr (10 Pfennig) auf, prüft die Abgabe derselben und stellt dann die gewünschte Verbindung her.
Der Weg des Geldstücks des Fernsprechautomaten von Stock 1899
Bedienungsanweisung auf Berliner Fernsprechautomaten in der Zeit von 1899 bis etwa 1902
                                       
                                       
Literaturnachweise: Grundzüge der Telegraphie und Telephonie von Dr. Joh. Russner.    
Zeichnungen: Siegfried Warth