Man schrieb den 29. Mai 1813, als zum ersten Mal in unserem Heimatgebiet eine optische Telegrafenlinie in Betrieb genommen wurde. Die Linie setzte die Städte Metz und Mainz in eine für die damalige Zeit noch unerreicht schnelle Nachrichtenverbindung; die führte durch das Verkehrsgebiet des Offenbacher Raumes und hatte auf den Höhen nahe bei Pfeffelbach, Ulmet und Homberg Telegrafenstationen.
An der Schwelle des 19. Jahrhunderts aber war die Inbetriebnahme ein großes Ereignis, das seine Wirkung in das übrige, noch ausschließlich mit Boten- und Kurierposten versorgte Deutschland ausstrahlt.
Wie kam es nun dazu, dass im Jahre 1813 diese optische Telegraphenlinie entlang dem Glantal errichtet wurde? - Es war der französische Regierungskommissar zu Mainz, Lakanal, der 1799 die Idee aufgriff, den in Frankreich bereits seit 1793 bewährten optischen Telegraphen auch in dem von ihm verwalteten linksrheinischen Gebiet zwischen Saar, Mosel und Rhein einzusetzen. Es lag sehr nahe, dass gerade Lakanal sich um diese Neueinrichtung bemühte, hatte er doch sechs Jahre zuvor dem Pariser Konvent einen besonders günstigen Bericht über den optischen Telegrafen der Gebrüder Chappe vorgelegt und dabei über den Bau der ersten Telegrafenlinie in Europa, nämlich von Paris nach Lille, berichtet. Die auf dieser Linie eingesetzten optischen Telegrafen, auch “Chappesche Signalapparate” genannt, bestanden im Wesentlichen aus einem etwa 5 Meter hohen Signalmast, der sich meist auf dem Dach eines eigens hierfür errichteten Stationsturms befand. Auf einer Höhe von etwa 4 Meter war ein etwa 4,62 Meter langer und 35 Zentimeter breiter Querbalken (Regulator) um seine Mittelachse drehbar gelagert. An seinen beiden Enden war jeweils ein kürzerer etwa 2 Meter langer Flügel (Indikator) einseitig ebenfalls drehbar befestigt. Vielfach bestanden die pyramidenförmigen Signaltürme aus wenigstens 4 Etagen, vor allem, wenn sich deren Standort im Hochwald befand. Die einzelnen Stockwerke waren über Leitern miteinander verbunden. Hier gab es Mannschaftsräume zur Unterbringung des Bedienungspersonals. Unmittelbar unter dem
Signalmast, in schwindelnder Höhe, befand sich der eingebaute Raum für die Wärter, um von hier aus den optischen Telegraphen bedienen zu können. Die einheimische Bevölkerung nannte diesen Raum bezeichnender Weise “Taubenschlag”. In den Städten wurden die Signalmaste vielfach auch auf Kirchtürmen angebracht, namentlich dort, wo keine größeren Erhebungen vorhanden waren, wie z. B. in der Rheinebene (Stephanskirche in Mainz) oder auch auf bereits vorhandenen alten Warttürmen (Kirchheimbolanden, Alzey). Die für diesen Zweck mit entsprechenden Holzaufbauten versehen wurden.
Die Türme waren, je nach den Erdoberflächenverhältnissen und wenn zwischengelegene Berge die Aussicht nicht begrenzten, durchschnittlich 8 bis 11 Kilometer von einander entfernt, d. h. soweit, als eine gegenseitige Beobachtung der meist durch die Armee gegebenen Signale mittels Fernrohr noch gut möglich war.
Durch das Verschieben des Querbalkens und den seitlichen Holzflügeln wurden die Informationszeichen hergestellt. So waren bei dem Querbalken vier um jeweils 45 Grad veränderte Stellungen möglich; den beiden Flügeln konnte man je sieben Lagen geben. Auf die achte Lage, nach außen hin in Verlängerung des Querbalkens verzichtete man bewusst, um Fehlinterpretationen vorzubeugen. Insgesamt bestand also die Möglichkeit zur Herrichtung von maximal 256 (4 x 7 x 7) Stellungen des Telegrafen, die jedoch seinerzeit nicht alle genutzt wurden.
Aus den einzelnen, festgelegten Zeichen, ergab sich ein sogenanntes telegrafisches Alphabet, das neben
Buchstaben, Zahlen, Satzzeichen auch Worte, ja sogar ganze Sätze bedeuten konnte. Die Signalapparate (Optische Telegrafen) standen an weit sichtbaren Punkten und waren in der Regel zwischen 8 und 12 Kilometer (nach Möglichkeit 2 Lieues - 11,25 Kilometer) voneinander entfernt, das heißt soweit, als eine gute, gegenseitige Beobachtung mittels Fernrohr noch möglich war.
Diese Geräte wollte der französische Regierungskommissar Lakanal im linksrheinischen Gebiet einsetzen. Er erließ am 14. Oktober 1799 ein Rundschreiben an die Zentralverwaltungen der vier ihm unterstellten Departements
1. Mosel - Departement (55)
2. Saar - Departement (101)
3. Rhein- und Mosel - Departement ( 103)
4. Donnersberg - Departement (102)
und warb darin um Verständnis für die optische Telegrafenverbindung Metz - Mainz; zugleich rief er zu einer Sammlung von Ferngläsern auf. Wie aus noch vorhandenen Unterlagen hervorgeht, fand der Aufruf des hohen französischen Beamten auch Gehör und die Überlieferung spricht vom Eingang mehrerer Fernrohre, die in der Zentralschule zu Trier gelagert wurden. Leider fehlen alle weiteren Aktenstücke über die Behandlung der Angelegenheiten. Es darf angenommen werden, dass es damals bei den bloßen Vorbereitungen für optische Telegrafenlinien im Rheinland blieb.
Es sollte noch über zehn Jahre dauern, bis der französische Kaiser “Napoleon Bonaparte” mit Datum vom 13. März 1813 verfügte, dass mit der größten Beschleunigung eine Telegrafenlinie von Metz nach Mainz errichtet werden soll. Die Stadt Metz stand bereits als Zwischenstation der schon vor 1800 errichteten Telegrafenlinie Paris - Straßburg mit Paris in Verbindung. Durch die angestrebte Zweiglinie Metz - Mainz wurde mithin eine unmittelbare Nachrichtenverbindung zwischen Paris und Mainz geschaffen.
Die Bauleitung der Telegrafenlinie Metz - Mainz wurde dem General - Telegrafeninspektor “Abraham Chappe, Miterfinder des Chappeschen Signalapparates, übertragen. Einen ersten Beweis seiner Bautätigkeit finden wir in einem am 30. April 1813 von Metz aus an den für unser Heimatgebiet zuständigen Saarpräfekten in Trier gerichtetes Schreiben. In diesem kündigt der Telegrafeninspektor den unmittelbar bevorstehenden Weiterbau der Telegrafenlinie von der Saar bis nach Mainz an und weist in besonders eindringlichen Worten auf die gebotene Eile bei den zu ergreifenden Maßnahmen hin. Zugleich bittet er um Weiterleitung seiner Mitteilungen an die Unterpräfekten in Saarbrücken und Birkenfeld.
Aufzeichnungen von “Sautter” zufolge traf Abraham Chappe am 8. Mai 1813 in Saarbrücken ein. Zu seiner großen Enttäuschung war der dortige Unterpräfekt noch nicht über die bevorstehenden Baumaßnahmen verständigt. Dies gab Chappe Veranlassung, sich schriftlich bei dem Präfekten in Trier zu beschweren. So schrieb er:
“Wenn der Unterpräfekt in Saarbrücken nicht aus freien Stücken mich kräftig unterstützt hätte, würde ich sehr in Verlegenheit geraten sein. Die Bürgermeister der Gemeinden, in deren Bereich die Errichtung von Telegrafenstationen vorgesehen ist, hätten mich für einen Abenteurer gehalten und sich dem Bau der Telegrafenlinie widersetzen können. Ich bitte nun, den Unterpräfekten von Birkenfeld, in dessen Bezirk ich in fünf Tagen eintreffen werde, entsprechend zu verständigen”.
Es darf unterstellt werden, dass der französische Telegrafeninspektor Chappe am 13. Mai 1813 Birkenfeld erreichte und sich von dort in den Raum Albessen - Pfeffelbach begab, um nunmehr den sofortigen Aufbau
der Telegrafenstationen in unserem Heimatgebiet einzuleiten. In der Zwischenzeit wurden die für den Signaldienst notwendigen Maschinen in Paris angefertigt und mit der Post nach den verschiedenen Bestimmungsorten versandt.
Über einige Besonderheiten bei der Durchführung der Bauarbeiten berichtet der französische Historiker “Edouard Gerspach” in seinem 1861 erschienenen Werk über die Entwicklung der Telegrafie. Er schreibt:
“Die Telegrafenverwaltung entsandte ihre besten Beamten an das Werk. Es traten aber dieselben Schwierigkeiten auf, die den Bau der ersten französischen Telegrafenlinie gehemmt hatten; die Unternehmer waren säumig; die Lieferanten verlangten Barzahlung und die Zahlungsanweisungen wurden mit Verzögerung ausgeführt”.
Jedermann in der Verwaltung begriff jedoch die ungeheure Wichtigkeit der Telegrafenlinie Metz - Mainz. So geschah es denn, dass die Direktoren und Inspektoren, von patriotischem Eifer beseelt, aus ihrer eigenen Tasche das Geld zum Bau vorschossen und selbst an dem Bauvorhaben wie gewöhnliche Handlanger mitarbeiteten. Bei solchem Eifer - so berichtet Gerspach weiter - konnte der Erfolg nicht ausbleiben. Die Linie von dem Ufer der Saar bis nach Mainz wurde in nur drei Wochen, einer für die damaligen Verkehrsverhältnissen außerordentlich kurzen Zeitspanne vollendet und am 29. Mai 1813 konnte die ersten telegrafischen Nachrichten zwischen Metz und Mainz ausgetauscht werden.
Die Linie Metz - Mainz durchlief die vier Departements auf einer Länge von insgesamt 225 Kilometer. Sie umfasste 22 Stationen, neun im Mosel - Departement, acht im Saardepartement, zwei im Rhein - Mosel - Departement und drei im Donnersberg - Departement.
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Zur Bedienung der einzelnen Telegrafenstationen waren jeweils zwei Beamte erforderlich. Der eine beobachtete ständig mit dem Fernrohr die Nachbarstationen und gab die dabei erkannten Signale an den anderen im Turm befindlichen Wärter weiter. Dieser bildete die ihm so übermittelten Zeichen mit Hilfe von einfachen Drahtseilzügen durch entsprechendes Stellen des Querbalkens und der an den beiden Enden befestigten Flügeln mechanisch nach, ohne sich um die Bedeutung der Zeichen zu kümmern. Das eingestellte Signal blieb nun solange stehen, bis es von der nächsten Station richtig nachgebildet war. Damit war es aber auch schon für die dritte, also übernächste Station sichtbar. - Für die Durchgabe eines Zeichens von einer Station zur anderen wurden 20 Sekunden benötigt. Unterstellt man, dass ein Zeichen oft ein ganzes Wort wiedergab und auf der Linie Metz - Mainz 20 Stationen dazwischen lagen, so ergibt sich für ein Telegramm von 20 Worten eine Übermittlungszeit von 8000 Sekunden (20 Worte x 20 Stationen x 20 Sekunden), bzw. rund zwei Stunden und 14 Minuten. Jedoch nur bei guter Sicht und dadurch sofortige Erkennung der übermittelten Zeichen. Bei ungünstigeren Wetterverhältnissen, wobei die Zeichen zwar noch deutlich, jedoch nicht mehr so schnell zu erkennen waren, benötigte man für ein Zeichen bereits 25 bis 30 Sekunden. Das Flimmern der Luft bei sommerlicher Hitze übte ebenfalls einen nachteiligen Einfluss auf den Telegrafenbetrieb aus. So mussten vereinzelt bei solchem Wetter die Zeichen sogar bis zu drei Minuten stehen bleiben, um genau erkannt zu werden. Trübes Wetter, Regen oder Schneegestöber führten zumeist zur Einstellung des Betriebes. Der Versuch, die Telegrafen mittels Fackeln zu beleuchten, um eine bessere Erkennbarkeit der Zeichen zu erreichen brachte nur einen äußerst mäßigen Erfolg, sodass hiervon kein weiterer Gebrauch gemacht wurde. Die diensttuenden Beamten setzten sich zu meist aus französischen Veteranen und Militäranwärtern zusammen. Ihr Sold soll 25 Sous pro Tag betragen haben. Aufzeichnungen des Herrn Oberlehrers Albert Zink zufolge müssen jedoch auch einheimische Personen bei den Signalstationen unseres Heimatgebiets angestellt worden sein. In einem Schreiben des Bürgermeisteramts Meisenheim an die Kreisdirektion Birkenfeld vom 23. Januar 1815 wird nämlich von “einheimischen Personen” berichtet, die “bei dem Telegrafen” angestellt waren und noch Lohnforderungen erhoben, weswegen sie an die französische Regierung verwiesen wurden.
Aus den Aufzeichnungen einiger zeitgenössischer Schriftsteller ist zu entnehmen, dass die Öffentlichkeit bei der Einrichtung der optischen Telegrafenlinien von einer Faszination ergriffen wurde. Ständig sollen in der Zeit des Betriebs die Augen der Menschen auf die Signalapparate gerichtet gewesen sein. Eine in vollem Betrieb befindliche Station mit ihren rasch wechselnden Zeichen muss einen eigenartigen Anblick geboten haben. Mit ihren hölzernen, beweglichen Armen schrieben die Geräte für den Zuschauer unbekannte und nicht deutbare Zeichen in die Luft. Die zappelnden Bewegungen von Querbalken und Flügeln ähnelten den in der damaligen Zeit schon bekannten Puppenbewegungen in den Kasperltheatern und wenn der Pfälzer Heimatforscher “Bilfinger” schreibt, dass im Volksmund die französischen Telegrafenstationen “Dillegraf” oder auch “Thiater” - gemeint Theater - genannt wurden, so kann letzterer Ausdruck sicher auf den eigenartigen, in zappelnden Bewegungen sich bietenden Anblick zurückgeführt werden.
Napoleon Bonaparte hat sich des optischen Telegrafen immer wieder bedient. Die “Correspondance de
Napoleon I” enthält eine Anzahl telegrafischer Depeschen, die über die optischen Telegrafenlinie Metz - Mainz und damit auch über die im Offenbacher Raum stehenden Signaltürme geleitet wurden.
So verfügte Napoleon am 4. Juni 1813 um 4 Uhr nachmittags in Neumarkt (Schlesien), dass unverzüglich eine telegrafische Depesche durch einen Kurier an den Marschall “Kellermann” in Mainz zu befördern sei und Kellermann sie mittelst des optischen Telegrafen nach Paris übermitteln soll. Die Depesche enthielt die Nachricht von dem am 4. Juni 1813 zwischen den Franzosen und den Verbündeten zu Poischwitz abgeschlossenen Waffenstillstand.
Am 27. August 1813, 6 Uhr früh, während noch die Schlacht bei Dresden tobte, sandte Napoleon siegesfreudig eine Estafette an den Marschall Kellermann in Mainz ab mit dem Auftrag für diesen, die Kaiserin in Paris sofort durch den optischen Telegrafen wissen zu lassen, dass er - Napoleon - am 26. August einen großen Sieg über die vereinigte russische, preußische und österreichische Armee davongetragen habe, man bringe viele Gefangene, eroberte Fahnen und Kanonen herbei.
Als in der Neujahrsnacht 1813/14 Blücher bei Kaub über den Rhein ging, ihm unterstellte Vorhuten des Korps York am späten Abend des 1. Januars 1814 Kreuznach erreichten, wurde der Telegrafenbetrieb nach Mainz unterbrochen und etwa 2 Wochen später ganz eingestellt.
Über das Schicksal der Signaltürme liegen verschiedene, z. T. sich widersprechende Aufzeichnungen vor. Französische Historiker berichten von der Zerstörung bzw. Verbrennung aller Telegrafenstationen durch das Bedienungspersonal während des Rückzugs. Diese Feststellungen können für unser engeres Heimatgebiet nicht voll zutreffen. Herr Oberlehrer Zink hat den Nachweis erbracht, dass einzelne Geräte der Telegrafenstation Ulmet geborgen und gegen Empfangsbescheinigung am 14. Januar 1815 an den zuständigen Kreisdirektor in Birkenfeld abgeliefert worden sind. Ebenfalls ist durch einen Schriftwechsel zwischen dem Bürgermeisteramt Meisenheim und der Kreisdirektion Birkenfeld zu belegen, dass man im Frühjahr 1815 um die Bergung von Einrichtungsgegenständen der Telegrafenstation bemüht war. Es ist anzunehmen, dass auch die übrigen Signaltürme der mit so großer Mühe erbauten und nur sieben Monate in Betrieb gewesenen optischen Telegrafenlinie Metz - Mainz zu Beginn des Jahres 1815 demontiert und damit endgültig unbrauchbar gemacht wurden.
Das aber war nicht das Ende der Telegrafie. In der Folgezeit versuchten sich viele Forscher und Wissenschaftler an der Weiterentwicklung dieses Nachrichtenwesens. Das 19. und 20. Jahrhundert erfand die wunderbarsten Geräte zu beliebig rascher und ebenso weiter Verständigung. Wir aber können sagen, dass die Entwicklung, nämlich die Kunst in die Ferne zu schreiben, mit der optischen Telegrafie begonnen hat.
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Literaturverzeichnis:
Sautter, Oberpostrat: Bericht im Beiheft zum Archiv für Post und
Telegraphie 1901
Archiv für Post und Telegraphie - 1908: Die optische Telegraphie zur Zeit
ihrer höchsten Entwicklung.
Gerspach Edouard: Hisoire administartive de lélégraphie acrienne - Paris
1861
Correspondance de Napoleon I., puliée par ordre de l´empereur Napoleon
II., Paris
Häberle, Prof.: Der optische Telegraph in der Pfalz während der
napoleonischen Zeit - Heidelberg 1931
Zink Albert: Pfälzische Postgeschichte, Heft 12, Ausgabe März 1956
Gachot Henri: Le Télégraphe optique de Claude Chappe - Straßbourg 1967
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